Mittwoch, 1. November 2017

Mein Leben in Schwarzweiß

Trauer macht einsam. Ist das nicht eigentlich widersprüchlich?

Wie kann etwas, das einen so verletztlich, so offen, so weich für die Welt macht, gleichzeitig der schlimmste Malus unserer Zeit sein?
Leute wenden sich ab, wissen nicht, was sie sagen sollen - dabei haben sie es doch so gut. Sie müssten NUR reden. Sie müssen nicht mit dem Schicksal leben, jeden Tag, jede Nacht.
Sie können nach Hause gehen, vielleicht eine Serie gucken und komplett abschalten.

Ich hadere gerade sehr mit meinem Leben. Ich weiß nicht, wie ich wieder hineinfinden soll, in das normale Leben. Ich kann nicht ewig auf meinem Sofa sitzen und beim Seriengucken anfangen zu heulen, weil ich alles so hasse und belanglos finde.

Am Sonntag, den 29. Oktober, war Pauls 3. Todestag.

Wie passt das hinein in unsere totretuschierte Welt? Wo ist da das Bling bling, die Heiterkeit, die Lebenslust?

Eine Freundin schrieb mir am Sonntag "Ein Kind gehen zu lassen zerstört einen schon vollkommen, dann alle Kraft zusammen zu nehmen, stark zu sein und zu kämpfen und dann nochmals sein Herz und alle Hoffnung zu verlieren, das ist mehr als unmenschlich und nicht nachvollziehbar, wenn man es nicht erleben musste."
Sie selbst hat ihre Drillinge verloren.

Etwas von mir ist kaputt gegangen vor 3 Jahren, und so langsam spüre ich - es kommt auch nicht wieder.

Ich wehre mich mit Händen und Füßen, aber vielleicht sollte ich es langsam akzeptieren.

Meine Söhne sind tot, und ich werde nie mehr die Selbe sein.

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Mit mir selbst weiß ich zur Zeit nichts anzufangen, dafür klappen Rituale ziemlich gut.

Auch Paul sollte natürlich sein Kistchen haben, gleiches Prozedere wie an Eriks Todestag, 10 Tage zuvor.

Diesmal an einem anderen Ort, ebenfalls wieder Teil meiner Kindheit und Wirkungsstätte meines verstorbenen Opas, als er noch arbeitete.

Mittags hatte ich mich mit meiner Freundin F. und meinem Vater zunächst auf dem Friedhof getroffen, mein Freund war auch dabei.

Anschließend fuhren wir dann weiter zum besagten Ort, wo wir auf meine Mutter trafen.
Es war ziemlich frisch, und die letzten Ausläufer des Sturms von voriger Nacht wehten uns um die Nase. Wir gingen nicht lange spazieren, schnell war der passende Ort gefunden.

Nach erfolgreicher Verbuddelung ging es weiter zu einem hübschen Café in der Nähe, es gab Kaffee und Kuchen und irgendwie fühlte ich mich einfach nur leer und weit weg.

Die letzten beiden Tage habe ich mich dann nur zu Hause vergraben, bei all dem Tod ertrage ich oft das Leben nicht mehr.

Letzte Woche hatte ich Bewerbungsbilder von mir in der Hand. Knapp 4 Jahre alt.
Ich trug das schwarzweiße Kleid, auf dem Monate später mein zweiter Sohn sterben sollte.

Life is strange - and so am I.