Sonntag, 16. Dezember 2018

Das Wesen der Trauer

Der Titel klingt jetzt vielleicht erstmal etwas hochtrabend.
Gerade mache ich mir viele Gedanken über Wege der Trauer. Wege durch die Trauer hindurch, in sie hinein und hinaus. Um die Trauer drumherum.

Ich begreife oft gar nicht die Auswirkungen, die der Verlust meiner Söhne auf mein Leben hat.
Warte auf den Moment, an dem es endlich besser wird.
An dem ich wieder die Alte bin.
Neulich bei meinem therapeutischen Erstgespräch hat es mich schier zerrissen als ich erzählte, dass so viele Menschen "die alte Tanja" zurückhaben wollten.

Weil ich erkannt habe, dass das vor allem ich bin, die das will.
Ich kann nicht zurück in die Zeit vor dem Verlust. Das zu fassen und zu verinnerlichen macht mich immer noch wahnsinnig unglücklich.
Ich bin es gewohnt, zu funktionieren, für andere da zu sein.
Ich schaffe es oft nicht mehr.

Meine Vorstellungen an mich selbst stehen mir so oft selbst im Weg. Sind motivierend und demotivierend gleichzeitig.
Ich versuche gerade auch oft, meine tiefen Ängste zu ergründen. Warum diese Panikschübe, quasi aus dem Nichts?

Sich mit der Endlichkeit anderer und des eigenen Lebens auseinander zu setzen, raubt mir gerade viel Kraft.
Ich fühle mich alt, obwohl ich es noch nicht bin. Liege auf dem Sofa und denke plötzlich, dass ich ja im nächsten Moment sterben könnte.
Es macht mir Angst, so sehr!

Wie integriere ich Tod und Verlust in mein Leben?

Ich las neulich erst wieder, dass Trauer in Wellen kommt.
Gerade schwappt da anscheinend wieder etwas mich hinweg.
Ich strampel dagegen an und versuche mich zu wehren.
Doch es hilft nichts, ich muss da durch!

Ich habe mir das alles anders vorgestellt. Diese berühmt-berüchtigten Phasen der Trauer, ich dachte ich durchlaufe sie und bin dann irgendwann wieder heil.
Nie hätte ich gedacht, dass das alles so kreuz und quer läuft!
Dass ich nicht einfach nur traurig bin.
Sondern wütend, gefühlstaub, panisch, lethargisch, dann wieder glücklich wie ein Kind, unruhig, müde, gestresst, auf 180.

Ich hatte gerade eine Woche Urlaub, das tat mir wirklich gut. Auch wenn ich seit Mittwoch erkältet bin. Klar, typisch, so im Urlaub.

Ich hatte mir so viel vorgenommen und höchstens die Hälfte gemacht.
Wollte mit meinem Mann jetzt am Wochenende endlich Kekse backen, bis wir gemerkt haben, dass wir gerade echt keine Lust darauf haben.
Wie banal, und wie erleichternd, als er sagte "dann lassen wir das doch einfach!"

Alles kann, nichts muss. Wenn das doch immer so einfach wäre.

Montag, 10. Dezember 2018

Durch die Nacht

Schwer waren die vergangenen Wochen.
Schier endlos der November.
Nach Pauls Todestag bin ich eine dunkle Phase gerutscht. Auch vorher ging es mir nicht gut, aber es ging noch tiefer hinab.

Die Phasen, in denen ich kein Licht mehr sehe, sind fürchterlich. Es gilt, sie irgendwie zu überstehen.
Sehr geholfen hat ein wunderbarer Abend mit meinen besten Freunden und schwarzem Tee mit Rum.
Und darüber zu reden. Ich hatte ein Erstgespräch bei einem Therapeuten, bei dem ich im wahrsten Sinne des Wortes mal wieder alles rausgeschnoddert habe.

Und dabei gemerkt habe: ich brauche "nur" einen Ort, an dem ich schwach sein kann. An dem ich atmen kann, mich freimachen von den Erwartungen an mich, vor allem den Erwartungen an mich selbst.

Ich bin noch auf der Suche nach diesem Ort. Stehe mir oft selbst im Weg, mir Schwäche zu erlauben, nicht immer nur zu funktionieren.

Erik und Paul fehlen mir so sehr, gerade in diesen Tagen um Weihnachten herum.
Ich finde Trost einzig in der Gemeinschaft anderer betroffener Eltern.

Heute war wieder der Gedenktag für verstorbene Kinder. Ich war mit meinem Mann, meiner Mutter, meiner Schwester und meiner Freundin F. wieder beim Gottesdienst.
Mit vielen Tränen, aber auch viel Dankbarkeit.

Der Einzug begann mit dem Lied, das wir auch für unsere kirchliche Trauung ausgewählt hatten. Ich dachte, mich trifft der Schlag als die Streicher einsetzten.
(Ist allerdings kein unbekanntes Stück, und ich hatte es die letzten Wochen oft im Kopf).

Wie nah schönes und trauriges doch beieinander liegen!

Wie traurig ich bin, und wie schön es trotzdem ist, gesegnet zu sein mit einem wundervollen Ehemann, wundervollen Freunden, einer wundervollen Familie und nicht zuletzt wundervollen KollegInnen.

Dieses Jahr war ein krasses, in jeglicher Hinsicht.