Dienstag, 3. Dezember 2019

Brief an die Trauer

Liebe Trauer,

du bist nun schon viele Jahre in meinem Leben. Mal sehen wir uns häufiger, mal längere Zeit nur von weitem.
Ich kenne dich schon lange, aber immer nur vom Vorbeigehen.
Als du dann mit Wucht in mein Leben tratest, konnte ich dich erst überhaupt nicht leiden. War wütend auf dich.

Du hast mir all meine Kraft genommen, hast mich zu Boden gerungen. Wenn jemand am Boden liegt, dann lässt man eigentlich von ihm ab. Du bist geblieben. Meine Augen waren ohne Glanz in diesen Wochen, Monaten, als du immer bei mir warst.

Im folgenden Sommer warst du plötzlich auch mal verhindert, ich konnte aufstehen und der trübe Blick lichtete sich ein bisschen.
Ich versuchte, mich von dir loszumachen, aber du kamst doch immer wieder.
Deine Dominanz hast du allerdings Stück für Stück in den Griff bekommen.

Oder habe ich einfach gelernt, mich abzugrenzen?
Wir sind zu Gefährten geworden, du und ich.
Wir sind auf Augenhöhe.
Ich wehre mich nicht, wenn du kommst.
Und du gehst auch wieder, wenn du anderswo gebraucht wirst.

Ich habe verstanden, dass du mir nichts böses willst. Ich brauchte meine Zeit am Boden, um Kraft zu sammeln.
Ich brauchte und brauche die Tränen, die tiefe Traurigkeit, um danach wieder ein Stück weiter auf meinem Weg zu sein.

Ich bin dankbar, dass du auch deine anderen Freunde in mein Leben gebracht hast. Liebe und Zuversicht, Hoffnung und Mut.
Du bist eines der Bindeglieder zu meinen Söhnen, und dafür hab ich dich gern.