Dienstag, 29. Dezember 2015

Kummer

Die Weihnachtstage sind vorüber, die Weihnachtspfunde fühlen sich rundum wohl, und ich sitze seit vielen Tagen mal wieder gänzlich allein in meiner muckeligen Wohnung.

Seit Tagen beschleicht mich eine diffuse Traurigkeit, und der wollte ich mal etwas nachgehen.
Habe mir seit vielen Wochen mal wieder Fotos von Erik und Paul angeschaut, alte Tagebucheinträge gelesen, traurige Musik gehört, das ganze Programm.

Die Fassungslosigkeit darüber, was meine Söhne und ich erlitten haben, wird nicht kleiner.

Es hilft mir sehr, mich damit zu beschäftigen, aber die Erkenntnis, die daraus erwächst, schnürt mir jedes Mal wieder die Kehle zu:
Es gibt eine Lücke in meinem Herzen, die sich niemals schließen wird, die niemals gefüllt werden kann.
Egal was ich (schönes) erlebe, egal wohin ich gehe, Erik und Paul kommen nicht wieder, das Leben läuft vorwärts, nicht rückwärts, und alles was mir bleibt sind Erinnerungen.

Zweifelsohne schön, aber es nimmt mir nicht den Schmerz, wenn ich z. B. kleine Jungs sehe, oder - immer noch am schlimmsten - ganz frische Neugeborene, die einfach so mit ihren Muttis kuscheln können, weil es eben das normalste auf der Welt ist.

Kleine Wesen, die wachsen und groß und stark werden.
Bei uns wird keiner groß und stark. Meine Babies werden immer Babies bleiben, ich kann nur erahnen wie sie jetzt wohl aussehen würden.
Und gleichzeitig macht es mich wütend darüber nachzudenken, denn schließlich wird es nie so sein, die Gedanken sind müßig, es ist egal, es ist nicht Realität.

Das Jahr 2015 war das zweitschlimmste Jahr in meinem Leben. Ich bin froh, dass es bald vorbei ist.
Und auch froh über die guten Dinge, die trotz allem passiert sind.
Über Menschen, die an meiner Seite geblieben sind. Und auch über die, die neu in mein Leben getreten sind und es bereichern, in welcher Form auch immer.

Denn eines stimmt wirklich: nach Schicksalsschlägen trennt sich die Spreu vom Weizen.

Hallo Weizen, tschüs Spreu!





Dienstag, 8. Dezember 2015

Heim

Der Umzug ist weitestgehend überstanden.
Und ich habe ihn sowas von unterschätzt! Zumindest rein emotional betrachtet.

Die letzten Wochen mit Geburtstag und Todestagen hatten eh schon enorm am Nervenkostüm gezerrt, aber es blieb nur wenig Zeit zum Durchschnaufen. Weiter weiter WEITER.

Vielleicht war der Zeitpunkt für einen Umzug einfach blöd gewählt. Andererseits ist eine 3-Zimmer-Wohnung, in der so viele Träume gestorben sind, auch platzmäßig oder finanziell auf Dauer nicht tragbar.
Und eine WG oder ähnliches aufzuziehen war für mich völlig undenkbar. Bisher lebte ich entweder allein oder mit jeweiligem Partner zusammen. Und der Mensch ist schließlich auch ein Gewohnheitstier.

Aus der neuen Rummelbude wird nun ganz allmählich ein Heim.
Es ist total schön, sich langsam einzurichten (und langsam ist keine Übertreibung, aber anscheinend brauche ich die Zeit) und sich Stück für Stück mehr einzufühlen.

Und ich habe, zum Beispiel, wieder Gefallen an der Idee von Weihnachtsdeko gefunden. War vor einem Jahr total undenkbar.
Und auch Weihnachtsmärkte sind wieder schön, die Idee von Weihnachten überhaupt, nicht mehr so unsagbar grau wie letztes Jahr.

Vielleicht, oder ziemlich sicher, liegt es auch daran, dass ich verliebt bin, dass der Blick aufs Leben wieder ein friedvollerer ist.
Die Akzeptanz von dem, was mein Leben nun ist, ist größer geworden.
Ich vermisse meine Söhne jeden Tag, und gleichzeitig sehe ich auch für mich ganz persönlich wieder Perspektiven außerhalb dieser Rolle als trauernder Mutter.

Plötzlich bin ich, auch wenn das wahrscheinlich ziemlich komisch klingt, auch mal wieder einfach nur: Frau.

Vielleicht sind das mit die größten Geschenke, die mir in diesen ganzem Elend zuteil wurden - die Neugier aufs Leben nie gänzlich zu verlieren und die Hoffnung zu behalten, dass mein Leben noch ganz viel schönes für mich bereit hält.

Donnerstag, 12. November 2015

Verwandlung

Nun also schließt sich der Kreis der Jahrestage.

Heute vor einem Jahr sind Erik und Paul gemeinsam beerdigt worden.

Es war ein friedvoller Tag, voller Sonne, Liebe und Wärme, getragen von Familie und engen Freunden. Unzählige Tränen, die vergossen wurden, gemeinsam.

Mir ging der Tag heute allerdings nicht so sehr an die Nieren wie der Geburtstag und die jeweiligen Todestage, ich habe mir auch keinen Urlaub genommen.
Mir ist nur im Laufe des Tages aufgefallen, dass ich das selbe Kleid trage, wie vor einem Jahr. Ein Freud'scher Verkleider, oder so ähnlich.

Es hat sich alles so sehr verändert seitdem.

Im Moment stehe ich gerade in einem Mix aus Umzugskisten und auseinander gebauten Möbeln.
Am Wochenende steht nun mein Auszug an.

Ich hab eine wunderhübsche kleine(re) Wohnung gefunden, auf die ich mich sehr freue.

Es ist an der Zeit, sich aus dem alten Zuhause auf den Weg in ein neues zu machen.
Wieder ein Stück Abschied, loslassen, zurücklassen, aussortieren, mitnehmen, das ganze buchstäblich wie metaphorisch.

Vorhin stand ich heulend in meiner bereits abgebauten Küche und konnte es einfach nicht fassen, dass alles so gekommen ist. Mein Leben war doch arschgeil! Warum ist diese ganze Scheiße bloß passiert?

Ich hab mir in diesem Jahr den Hintern aufgerissen, um einigermaßen auf Kurs zu bleiben.
Anstrengend, jeden einzelnen Tag. Aber ich find immer noch, dass es sich lohnt.

Ich. Will. Weiter. Leben.
Und meine Jungs, die nehm ich im Herzen mit.

Donnerstag, 29. Oktober 2015

Paul

Mein liebster kleiner Paul,

diese tiefe dunkle Nacht, in der du von uns gingst, jährt sich nun auch bei dir.

Ich habe es damals nicht verstanden, und verstehe es auch jetzt nicht, dass auch du nicht bei uns bleiben durftest.
Ich habe die Gespräche mit den Ärzten noch in glasklarer Erinnerung, sehe die Ultraschallaufnahmen deines Herzens im Geiste vor mir, spüre die Ohnmacht und das Gefühl dahinter, endgültig verloren zu haben.
Ich wollte es nicht akzeptieren, dich nicht auch noch verlieren.

Ausgerechnet du, der gekämpft hat wie ein Löwe.

Ich hatte so große Angst um dich, als du in deiner zweiten Nacht eine Gehirnblutung hattest.
Habe daraufhin auf mögliche Zeichen geachtet, ob bei dir "irgendwas nicht stimmt".

Was total bescheuert ist im Nachhinein, denn es hätte nie etwas an der Tatsache geändert, dass du mein Sohn bist und ich dich liebe und alles dafür getan hätte, dass du ein schönes Leben hast, egal ob mit Einschränkungen oder ohne.

So oder so finde ich bis heute faszinierend, wie viel Charakter auch schon in dir steckte, und dass du so ganz anders gewesen bist als dein Brüderchen. So sensibel! Und gleichzeitig so renitent!

Mit welcher Entschlossenheit du da dein Gewicht verdreifacht, eine Gehirn-OP weggesteckt oder tagelang so gut wie selbstständig geatmtet hast... ich war so zuversichtlich und habe mir schon ausgemalt, wie wir dich vielleicht schon Weihnachten mit nach Hause nehmen dürfen.

Und ich bin so unglaublich wütend und traurig, dass es dann so anders kam.
In der Nacht zum 29. Oktober sind mit dir alle Hoffnung, jeder Wunsch und sämtlicher verbliebener Kampfgeist gestorben.

Kleiner Mann, es tut mir so weh dass unser gemeinsamer Weg so zeitig geendet hat.

Ich liebe dich so sehr und auch, wenn uns jetzt noch Zeit und Raum trennen, sind wir verbunden, heute und für immer.

Deine Mama

Montag, 19. Oktober 2015

Erik

Hallo Erik, mein kleiner Schatz.

Dieser grauenhafte Tag, an dem dein Papa und ich dich gehen lassen mussten, ist nun ein Jahr her.
Die vergangene Zeit wirkt wie ein Wimpernschlag, und gleichzeitig ist eine Ewigkeit vergangen.

Kleiner Mann, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an dich denke.
An dein wunderhübsches Gesicht, deine kleinen Händchen, die ich so gerne gehalten habe.
Deine Füßchen, die du so gern massiert bekommen hast.

Ich hätte dich fressen können, weil ich dich so süß fand.

Schon im Bauch hast du den größeren Rabatz gemacht, und auch außerhalb warst du mein Sonnenschein und mein Sorgenkind zugleich.

Ich habe es lange nicht wahrhaben wollen, dass es dir so schlecht geht.
Die erste Darm-OP, der künstliche Ausgang, das schaffen wir schon, und irgendwann ist all das Schlimme vergessen und du und dein Bruder seid zu Hause und wir holen das ganze Kuscheln und Küssen nach.

Ich hab dir das oft versprochen, habe dir von deinen Omas und deinem Opa erzählt und deinen Tanten und Onkeln und Freunden der Familie, die dich alle so gern kennenlernen wollten.

Ich habe mir so sehr das Leben für dich gewünscht und es bricht mir das Herz, dass du nicht mehr da bist.
Du hast gekämpft und gelitten und es erscheint mir so umsonst und ungerecht, dass du den Kampf verloren hast.

Wir durften dich 45 Tage bei uns haben, und ich hoffe du hast gespürt, wie sehr du geliebt wurdest.

Eines Tages sehen wir uns wieder, daran glaube ich ganz fest.
Bis dahin versuche ich hier auf Erden noch ein bisschen was rauszuholen, zu leben und zu lachen und zu lieben, so doll es nur geht.
Und du hab viel Spaß mit deinem Brüderchen, wo auch immer ihr gerade rumflitzt!

Ich liebe dich, heute und für immer.
Deine Mama

Freitag, 9. Oktober 2015

Die Zeit steht still

Es wird allmählich immer früher dunkel.
Nach einigen herbstgoldenen Tagen ist es kalt und ungemütlich geworden.
Meine Lieblingszutaten dieser Tage: Sofa, Kuscheldecke und Filme.

Die Tür zur Paralleldimension Frühchenintensivstation steht weit offen und es ist, als würde ich die Zeit von vor einem Jahr nochmal durchleben. Nur mit zeitlichem Abstand.

Was es nicht unbedingt leichter macht. So oft wurde uns Eltern damals von Freunden gesagt, "Wie haltet ihr das bloß aus!" Und nun lese ich meine Tagebucheinträge aus dem letzten Jahr und weiß keine Antwort darauf.

Die ersten 2 Wochen waren so voller Hoffnung, voller hormoneller Verblendung. Und selbst als es immer schlechter um Erik und Paul stand, wollte ich es nicht wahrhaben.
Der Tod war überhaupt keine Option für mich. Schade, dass mich das Schicksal nicht gefragt hat. Dass ich so unendlich machtlos war.

Jeden Tag am jeweiligen Brutkasten zu stehen, zu hoffen und zu bangen... und die beiden so sehr zu lieben.

In der Essecke hängt noch immer das Bild von Paul, dass uns Schwester Annkathrin geschenkt hat. Am 10. Oktober hatte er "Mehltütenfest", da wog er erstmals über 1 Kilogramm.
Wie eingebrannt in mein Herz sind die Worte "Dank eurer Hilfe und Liebe, werde ich auch die nächste Gewichtsetappe schaffen."

Es rührt mich immer noch so sehr, dass alle an unsere Jungs geglaubt und das Beste für sie gehofft haben. Leider blieb das Wunder einfach aus. Zwei kleine Lichter, die erloschen, bevor sie jemals richtig brennen durften.

Freitag, 11. September 2015

1 Jahr alt

Da kam er also.
Dieser eine schon im Vorfeld kritisch beäugte und viel beweinte Tag, 5. September.

Der erste Blick aus dem Fenster: enttäuschend! Der Himmel grau, und es nieselte.

Bisher waren alle wichtigen Tage im Leben von Erik und Paul mit blauem Himmel und Sonnenschein ausgestattet gewesen. 
Wahrscheinlich war dort oben einfach viel wütender Rabatz - so hatte ich mir den 1. Geburtstag meiner Söhne schließlich auch nicht vorgestellt.

F. holte mich gegen 9 Uhr von zu Hause ab und wir fuhren ins Krankenhaus.
Ich war - sehr - froh, dass sie sich bereit erklärt hatte mitzukommen, alleine wäre ich nämlich noch vor der Parkplatzschranke direkt wieder umgekehrt.

Ich bin ja eigentlich Fan von so ein bisschen Konfrontationstherapie, und so war es dann auch richtig und wichtig, dort zu sein, als um 9:45 und 9:46 die imaginären Kopfglocken läuteten und die Geburtsstunde von Erik und Paul gekommen war. Wir haben ziemlich viel geweint, einen ziemlich großen Caramellmacciato getrunken und Rührei und Heidelbeerkuchen gegessen. 

Anschließend ging es dann zu mir und ich hab noch ein paar Muffins gebacken und wir guckten uns Fotos der Jungs an und redeten über die beiden. 

Gegen Mittag brachen wir zum Friedhof auf, wo schon mein Vater, meine Schwester und B. warteten, die extra aus dem fernen Bayern angereist war. Dort gab es dann am Grab ein bisschen innere Einkehr und wir stießen mit Sekt auf die beiden kleinen Männer an.

Ich will da nicht zwingend Verknüpfungen ziehen, aber als ein Schwung Sekt vor mir auf der Wiese landete (eingießen will gelernt sein!) klarte der Himmel etwas auf und die Sonne schob sich durch die Wolkendecke. Hallo Jungs! 

Dann fuhren wir wieder zu mir nach Hause wo es Kaffee und Kuchen gab, I. stieß auch dazu und mit dem schönen Wetter wurde auch die Stimmung allmählich heller und wir haben viel gequatscht und gelacht, was einfach schön war.

Am frühen Abend ging es dann weiter zu F. und ihrer Familie, ich hatte mir gewünscht nicht allein zu sein und mich kurzerhand dort eingeladen (kommt ja nicht SO oft vor :D huhu Zweitwohnsitz!).

Ich bin sehr stolz dass wir das alle so prima gemeistert haben an diesem schlimmen, schönen und traurigen Tag.
Einen Geburtstag ohne die Geburtstagskinder zu feiern ist irgendwie nicht richtig.

Aber ich bin abermals froh, dass ich so unfassbar tolle Menschen um mich herum habe, die immer noch mit mir lachen, mit mir weinen, sich nicht abschrecken lassen und den steinigen Weg mit mir gehen, komme was wolle.

Auf Erik und Paul, und auf uns alle!


Samstag, 5. September 2015

Heute vor einem Jahr

Da war noch alles gut.

A. und ich waren bei Freunden und hatten Umstandskleidung und Babysachen geschenkt bekommen.
Anschließend gab es Spaghetti mit allemann und ich stellte mir vor, wie riesig dieser Bauch noch werden würde.
In den letzten Tagen gab es einen enormen Wachstumsschub und ich sah recht ähnlich aus wie meine Freundin F., die 10 Wochen weiter war. War bei ihr halt nur ein einzelnes Baby :-)

In der Nacht zum 5. September bin ich dann mit starken Schmerzen aufgewacht. Als noch Blut dazukam, rief A. einen Krankenwagen. Premiere für mich! Mit Blaulicht und Tatütata ging es ins Krankenhaus. Ich weiß noch, dass ich es etwas übertrieben fand, aber gleichzeitig hatte ich auch große Angst. Was, wenn doch etwas ernstes war...?

Ich wäre so gern als hysterische Erstschwangere wieder aus dem Krankenhaus marschiert.
Aber ich ging nirgendwohin. Der Muttermund stand fast vollständig offen, die Jungs waren geburtsbereit. Scheiße. SCHEISSE.

Kontrollfreak der ich bin, hatte ich mich schon vorab mit so ziemlich sämtlichen Szenarien auseinandergesetzt (ich konnte das Google-Verbot leider nie so ganz durchsetzen).
Aber Theorie und Praxis sind doch immer zwei Paar Schuhe. Und man denkt ja letztendlich nie, dass einem irgendwelche Horrorgeschichten selbst passieren.

Mein ganz persönlicher Horror ist eingetreten, eine extreme Frühgeburt mit ungewissen Ausgang.
In dem Stadium (offiziell 23. Woche, korrigiert auf 25. Woche) war die Grenze zur Lebensfähigkeit außerhalb des Mutterleibs gerade so eben erreicht. Was das konkret bedeutete - keine Ahnung.

Die Ärzte wollten ihr möglichstes tun, und um die bestmöglichen Chancen rauszuholen, wurden die beiden Jungs schließlich mittels Kaiserschnitt auf die Welt geholt.
Für eine PDA blieb keine Zeit, also gab es eine Vollnarkose, werdender Papa bitte draußen bleiben, Not-OP, bäm.

War das ein Scheißgefühl. Ich hab den Ablauf immer noch bildlich vor mir, der ganze Tag war wie ein wahrgewordener Albtraum. Nach der OP dann immerhin auf exklusiven Drogen.

Und die Jungs lebten! Nach ein paar Stunden durfte ich sie das erste Mal sehen. Sie waren winzig klein und wunderschön. Und sie hatten ziemlich witzige Mützchen auf.

Ich finde es unfassbar, dass das alles schon ein Jahr her ist. Und dass sie nicht mehr da sind.

Freitag, 28. August 2015

Countdown

Noch 9 Mal schlafen. Habe das Gefühl, die Welt hat sich in den letzten Tagen etwas schneller gedreht als sonst.

Der Geburtstag von Erik und Paul steht vor der Tür. Die grobe Planung steht.
Vormittags möchte ich mit meiner lieben Freundin F. ins Krankenhaus fahren. Beim internen Bäcker dort einen Kaffee trinken. Vielleicht ein Brötchen mit Rührei essen. Wie oft habe ich das letztes Jahr gemacht!
Ich weiß nicht, wie das werden, wie es sich anfühlen wird. Es war ein spontaner Impuls. Den Ort aufzusuchen, an dem meine Söhne geboren und gestorben sind.

Anschließend möchte ich gern zum Friedhof. Da bin ich in letzter Zeit nicht besonders oft gewesen, und wenn, habe ich nur unproduktiv vor dem Grab gesessen, Gras ausgerupft und in die Blumen geweint.

Nachmittags können dann noch Familie und vielleicht 2, 3 Freunde vorbeikommen. Meine Schwester wird einen Kuchen backen und vielleicht gibt es noch einen kleinen "Kreativpart".

Hauptsache, nicht alleine sein.

Den Papa von Erik und Paul werde ich nicht sehen, er hat eigene Pläne und besorgt den beiden noch ein paar neue Steine.

Es bricht mir das Herz, den Geburtstag ohne die beiden Hauptpersonen zu feiern. Aus 4 mach 1. Da haben wir's wieder.

Ein Jahr. Ein verdammtes Jahr, das mein Leben in eine Million Teile zerfetzte und mir keine Anleitung für den Neuaufbau hinterlassen hat.
Die Leiterin meiner Selbsthilfegruppe hat mir mal folgendes geschrieben:"Wenn du bei dir selbst bleibst, dann wirst du dich in jeder neuen Situation finden." Das ist so einfach und genial, dass ich mir ihre Worte immer wieder gern durchlese.
Auch wenn es manchmal schwer zu leben ist.

Mittwoch, 12. August 2015

Hello darkness, my old friend

Einer dieser Abende.

Während ein Teil der Welt schon im Traum versunken ist, sitze ich mit einer Zigarette und einem Glas Wein auf dem Balkon, beobachte das Glimmen der Glut und versuche, an möglichst überhaupt nichts zu denken.

Funktioniert 3 Sekunden lang super, dann bricht die Dunkelheit einfach durch und ich lasse sie gewähren.
War ja klar, dass die Sommerpause irgendwann vorbei ist. Oder vielleicht auch nur eine Pause von der Pause einlegt.

Die letzten Wochen waren wunderbar, ich mag es gar nicht sagen oder aufschreiben, aber ich hab so unfassbar viel gutes erlebt und gemacht, dass ich manchmal einfach nur selig vor mich hinstarre und ein bisschen lächle.
Und diese vielen tollen Menschen in meinem Umfeld, die mit mir lachen, mit mir singen, mit mir auf Konzerte gehen, sich gepflegt mit mir betrinken und ihre Zigaretten teilen, mit mir Ausflüge machen, mir alberne Katzenvideos zeigen, mir beinahe täglich Mut zusprechen und mich einfach mal in den Arm nehmen.

Und gleichzeitig die aufkeimende Angst vor den nächsten Wochen, dem 5. September, der einfach näher rückt, ohne dass ich irgendwas dagegen machen könnte.
Angst vor den 55 Tagen Paralleluniversum, und gleichzeitig ein Funken Freude, weil es doch schließlich die Zeit in meinem Leben war, die ich mit meinen Söhnen verbringen durfte.

Es ist diese Ambivalenz, die sich zur Zeit so stark durch mein Leben zieht, wie noch nie zuvor.
Auf der einen Seite die hohen Berge, der Spaß, das Lachen. Auf der anderen Seite die tiefen Täler und Abgründe. Die Einsamkeit, die Leere, die stille Angst dass mein Leben einfach nie wieder annähernd normal wird.

Montag, 20. Juli 2015

Danke gut, und selbst?

Mich aus meiner Wohlfühlzone rauszubewegen ist bei mir einigermaßen mit Panik verbunden.

Letzte Woche war da dieses Ehemaligentreffen mit Firmenkollegen "von früher". 8 Jahre ist es her, dass ich den überwiegenden Teil davon gesehen habe.

Ich habe mir im Vornherein unheimlich viele Gedanken gemacht, wie das wohl werden wird.
Small Talk ist super, wenn man überwiegend smalles zu talken hat.

Meine Überlegung war dann, einfach den Gesprächsfaden zurückzureichen wenn es mir zu heikel wird. "Mein letztes Jahr lief nicht sehr gut, lass uns doch lieber von dir reden"
Werbebranche im weitesten Sinne, da funktioniert der Ansatz doch wohl 1A.

Es kamen zum Glück genau 0 Fragen zu heiklen Themen.
Nur das standardmäßige "Was machst du jetzt?" und da erzählte man einfach einen Schwank aus seinem Arbeitsleben und alle waren glücklich. Dazu ein Glas Wein und: es war ein sehr gelungener Abend.

Hatte dann dennoch ein interessantes Gespräch mit einer guten Kollegin/Freundin, mit der ich in den Jahren auch Kontakt gehalten habe.
Sie fragte mich nach meinem Freund und da kam ich dann doch ins erzählen (und schuld war doch nur der Wein).
Ich erzählte ihr von Erik und Paul und sie stellte eine sehr kluge Frage, die mich die letzten Tage beschäftigt hat: "Ist das alles real für dich?"

Wie kann so etwas nicht real sein? Aber ist es nicht schon so, dass man die Tatsache, dass die eigenen Kinder tot und begraben sind, zu einem Großteil der Zeit ausblenden MUSS, um nicht, naja, gänzlich verrückt zu werden? Wie lebt man damit? Ich bin selbst betroffen und kann es trotzdem nicht genau sagen.
Aber es hat bei mir einen Nerv getroffen, defintiv.
Meine Realität ist sehr abhängig davon, mit wem ich meine Zeit verbringe.

Ich fände es schön, wenn ich es irgendwann schaffe, Wohlfühlzone vs. Neue Leute besser zusammenzubringen.
Im Moment sind es noch Feldversuche, teilweise stoße ich den Menschen vor den Kopf, indem ich sie einfach ohne Vorwarnung konfrontiere.

Aber letztlich ist es mein Leben, dass ich mir ja schließlich auch nicht ausgesucht habe. Die anderen dürfen immerhin entscheiden, ob sie den Weg mit mir gehen wollen oder nicht.

Dienstag, 30. Juni 2015

Aus 4 mach 1

Der Papa von Erik und Paul ist vor knapp 2 Wochen ausgezogen.

Unsere Beziehung hat den Tod der Kinder, die Trauer, die Wut, die Verzweiflung nicht überstanden.
Unsere Wege der Bewältigung waren derart verschieden, dass es an der Zeit war, die Notbremse zu ziehen.

Ich habe von einigen meiner neuen Bekannt- und Freundschaften im Verwaiste-Eltern-Kreis von bösen Streitigkeiten und vielfältigen Verletzungen auf emotionaler Ebene gehört. Überwiegend vormals glückliche Happy-Peppy-Pärchen.

Entweder die Trauer um die gemeinsamen Kinder schweißt einen noch enger zusammen, oder sie lässt die Liebe entzwei brechen.

Ich bin traurig, aber es kam nicht überraschend. Seit vielen Monaten kämpften wir mal mehr, mal weniger aufrichtig um unsere Beziehung.

Eine liebe Kollegin formulierte neulich sinngemäß "Letztes Jahr wart ihr noch zu viert, nun bist du wieder zu einst." Darüber habe ich lange nachgedacht.

Es tut weh, wenn man von dem Menschen, mit dem man am engsten an dieses Schicksal gebunden ist, nicht die Geborgenheit erfahren kann, die man so dringend bräuchte.

Aber es zwingt mich auch, neue Wege zu gehen. Bekanntschaften auszubauen, Freundschaften zu vertiefen. Geborgenheit im Kreise von Familie und Freunden zuzulassen.
Rauszugehen in eine Welt, die ich grad viel zu groß, viel zu laut und viel zu hell empfinde.

Danke A., für 4 schöne und 1 bescheidenes gemeinsames Jahr.

Ich hoffe, du findest deinen Weg.

Montag, 8. Juni 2015

Das Trauma und ich

Wir Eltern haben also ein Trauma erlitten. So sagt man es uns. 

Hier sitze ich nun und schreibe aus meinem Trauma heraus. 

Wieso denn eigentlich Trauma? Geht es mir nicht eigentlich recht gut?
Hey, ich geh arbeiten, gehe unter Leute, fliege sogar in fremde Länder!

Ich fürchte langsam, so einfach ist es nicht.
Ich fühle mich so... verändert. 
Und jedes Mal, wenn ich mir selbst erzähle "Ist doch alles ok! Du machst das doch ziemlich gut alles!" schleicht sich wenige Stunden oder Tage später der Schatten wieder von hinten an und legt sich über mich. 

Der Verlust der eigenen Kinder ist das Schlimmste, was man erleben kann.
Ich habe den Satz viele Male gehört (vorzugsweise von Therapeuten) und er geht mir oft im Kopf herum. 

Ich habe also das Schlimmste erlebt. 
Der Körper und der Geist sind schon ziemlich ausgebufft. Die lassen solche Sätze nämlich gar nicht erst an mich ran. Ich fühle mich seltsam unbeteiligt. 

Das fing schon mit Eriks Tod an. Plötzlich stehen da erschütterte Ärzte und Schwestern, die einem kondolieren. Ich weiß noch, wie völlig abstrakt ich das gefunden habe. 
"Es tut mir so Leid!" Hä, wie bitte? 
Ich hab es überhaupt nicht gecheckt. Habe nicht im Inneresten gespürt, im System quasi, was da passiert ist. 
Pauls Tod hab ich dann erst recht nicht begriffen.

Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich ganz am Anfang stehe. Dass die Verarbeitung gerade erst anfängt. Wobei, das ist nicht ganz richtig. Ich bin viel in innerer Bewegung. 

Und ich finde den Gedanken absurd anzunehmen, dass man nach einem halben Jahr "drüber weg" ist. Oder nach einem ganzen Jahr. 

Die Zeit im letzten Jahr ist mir noch so präsent, und gleichzeitig unheimlich weit weg.
Wie sehr graut mir vor dem 1. Geburtstag und den 1. Todestagen. 

Dienstag, 2. Juni 2015

Im Wechsel der Jahreszeiten

Erik und Paul sind auf einem kleinen Friedhof bei uns in der Nähe bestattet worden.

Sie haben einen eigenen Grabplatz, der mir sehr wichtig geworden ist.
Nach einem richtig schlimmen Tag komme ich fast schon gerne dorthin und kann in Ruhe meinen Gedanken nachhängen, mit ihnen sprechen und mich ordentlich leer weinen.
Und an schönen Tagen zieht es mich dort ebenso häufig hin. Dann schaue ich dem Wind in den Windspielen zu, lass mich von der Sonne kitzeln und freue mich, dass die beiden da waren.

Nun sind wir beiden Elternteile nicht gerade mit dem grünen Daumen gesegnet, aber im Laufe der Monate haben wir ein paar erste Ideen entwickelt.
Wenn es rein nach dem Papa gegangen wäre, hätten wir ein Wikingergrab, über und über mit Steinen bedeckt. Auch schön, aber irgendwie wenig kindgerecht. Fand ich.

Unbeirrt ist er nicht nur einmal nach Rügen gefahren und kam dort mit kiloweise Hühnergöttern zurück. Wir fanden also einen Kompromiss und unsere Version eines Sommergrabs (die Blumen proudly presented by Oma D.) sieht nun so aus:




Im Winter deckt man Gräber ab, wie wir neu gelernt haben und das sah dann so aus:




Als der Frühling kam, verschwanden die Tannenzweige und wir wagten eine erste zarte Bepflanzung:


Viel tun können wir leider nicht mehr für unsere Kinder. Es tut gut, wenigstens im Kleinen etwas schaffen zu dürfen, und wenn es nur die kurze Freude über kleine Albernheiten wie ein niedlicher Pilz mit Gesicht oder ein Mitbringsel aus dem Urlaub ist.

Dienstag, 19. Mai 2015

Raus in die Welt

Wenn man ein Kind bekommt, ändert sich der Blick aufs Leben.
Wenn es dann nur kurz auf der Welt bleiben darf, ändert sich der Blick aufs Leben komplett.

Äußerlich ist alles gleich geblieben. Ok die Narbe, die ist schon fies. Aber die sieht ja kaum jemand.

Ich hab schnell wieder versucht, am Leben teilzunehmen. Nicht komplett verloren zu gehen.
Das ist schwer, wenn einen schon das morgendliche Aufstehen kräftemäßig überfordert.
Oder die Überlegung, was man denn am Abend essen möchte.

Eigentlich sind die ersten Wochen nur Überlebenskampf gewesen.
Absurd, wenn ich das so schreibe.
Es kommt mir lächerlich vor, wenn ich im Vergleich an den Überlebenskampf denke, den Erik und Paul leisten mussten. Wahrscheinlich darf man da nicht vergleichen.

Erste Treffen mit den engsten Freunden, ein erster Geburtstag, der mitgefeiert wurde. Dann kam ziemlich schnell Weihnachten, kaum auszuhalten, das sogenannte "Fest der Familie".

Auf der einen Seite die Geburt Christi, auf der anderen Seite der Tod der eigenen Kinder.
Besinnliches Beisammensein unterm Christbaum versus Friedhofsbesuch.
Ersteres haben wir dann auch komplett gelassen. Zu groß die Diskrepanz zwischen dem Schönen und dem Traurigen.

Nun, ein halbes Jahr später, startete ich einen weiteren Feldversuch und flog in die Ferne.
Lissabon sollte es sein und es war so völlig anders, als ich es mir erwartet habe.
Nicht nur, dass ich gefühlsmäßig durcheinander trudelte und so nah an meinen Söhnen dran war, wie lange nicht.
Auch körperlich bin ich lange nicht mehr so sehr an meine Grenzen gekommen.
Wer weiß, wofür es gut war.

Das ist sowieso eines der besten Dinge, die mir in den letzten Wochen gesagt wurden:
"Im Zweifel, immer machen."
Etwas machen, etwas tun, vorausblicken, zurückblicken. Überhaupt blicken.

Es ist so anstrengend, und gleichzeitig fühlt es sich irgendwie gut an. Anders gut.

Erik und Paul sind ein Teil von mir und werden es immer bleiben.
Ich möchte sie mitnehmen, überallhin.
Mit ihnen meine Welt zurückerobern.

Donnerstag, 14. Mai 2015

Gedanken zur Nacht

Ein leerer Bahnsteig.
Der Wein von eben wirkt wohlig nach.
Die Zigarette, ausgebrannt. Habe vergessen, warum ich überhaupt wieder damit angefangen habe.

Ich setze mich in den leeren Zug. Zuhause wartet ein leeres Heim. Es ist schon beachtlich, warum man immer weiter macht.

Ich denke an die Zukunft, an alles, was mich noch erwartet. Bin neugierig, wie sich das Leben, mein Leben, noch entwickeln wird.
Nachdem Erik und Paul gestorben waren, war ich der festen Überzeugung, dass ich auch bald an der Reihe wäre. Die Chronologie erschien mir unnatürlich. Was sie zweifelsohne ist.

Überall Kinder, Babies, Schwangere. Das natürlichste auf der Welt. Und ich irgendwo mittendrin. Ich glaube daran, dass es irgendwann auch wieder ein Leben für mich in der Natürlichkeit gibt. Der Weg dahin erscheint so unglaublich weit, und ich bin jedem dankbar, der mich auf dieser Reise begleitet.

Sonntag, 10. Mai 2015

Was war und was bleibt

Vor einem Jahr bin ich schwanger geworden. Dass es Zwillinge werden, hat mich völlig unvorbereitet getroffen.

Nach ungefähr einer Woche abwechselndem "Oh nein!", "Oh gott!" und "Wie sollen wir das denn schaffen?!" setzte sich die Neuigkeit etwas, und ich war aufgeregt und freute mich sehr.

Es war eine anstrengende Schwangerschaft, körperlich wie emotional. Ich musste mich viel schonen und selbst wenn ich unbedingt gewollt hätte, hätte ich vieles nicht gekonnt. So hatte ich mir das irgendwie nicht vorgestellt.

Trotz allem gab es auch ganz viele tolle Momente. Der stetig größer werdende Bauch, die ersten Babystupser... ein überwältigendes Gefühl, wenn da von innen Rabatz gemacht wird.

Leider endete die Schwangerschaft viel zu früh in der 25. Schwangerschaftswoche.
Ich kam mit Wehen ins Krankenhaus und die Geburt konnte nicht mehr aufgehalten werden.

Erik wurde am 5. September 2014 um 9:45 Uhr auf die Welt geholt, 29 cm groß und 675 Gramm schwer.
Paul folgte seinem Bruder 1 Minute später, war genauso groß und wog 620 Gramm.

Da bleiben einem fröhliche Rund-SMS irgendwie im Halse stecken.

Trotzdem waren mein Freund und ich auf eine seltsame Art und Weise optimistisch.

Auf der Frühchenintensivstation hingen an den Wänden lauter Collagen über Kinder, die mit dem Kampfgewicht einer halben Packung Mehl gestartet waren und es überlebt hatten.
Sogar richtig gut überlebt hatten. Pausbäckige kleine Gesichter schauten einem da von den Fotos entgegen, zuckersüße Kinder.

Unsere Jungs waren auch zuckersüß, aber von Pausbacken keine Spur.
Zarte kleine Wesen, Händchen so groß wie mein Daumennagel. Die Füßchen, die sich einem nur wenig größer, aber umso bestimmter entgegenstreckten.

Sie hatten Biss, die beiden. Und sie waren so tapfer.

So vieles mussten sie über sich ergehen lassen. Beatmungsschläuche, Magensonden, Zentrale Venenkatheter, Zugänge für Transfusionen.
Und Operationen. Erik war gerade mal 2 Wochen alt, als er am Darm operiert werden musste.
Paul hingegen hatte im Zuge einer Gehirnblutung eine erhöhte Hirnwassermenge. Um das zu regulieren, wurde ihm eine Art Kathether ins Gehirn gelegt.
Beides nicht untypisch für so kleine Menschen.

Die beiden kleinen Räuber nahmen leider überhaupt alles mit, was irgendwie ging.
Infektionen, Blutvergiftung, Pilze.
Uns erwartete beinahe jeden Tag eine neue Hiobsbotschaft.

Wir waren an den Grenzen unseres Verstandes angekommen.

Am 19. Oktober waren auch Eriks Grenzen erreicht.
Paul folgte ihm auch diesmal, 10 Tage später.
Wir wurden behutsam von den Ärzten und dem Pflegepersonal vorbereitet und umfassend begleitet, so gut es eben ging.

Da standen wir nun in der Nacht zum 29. Oktober und waren verwaiste Eltern.
Alle Pläne, alle Vorfreude, alle Zukunftsaussichten waren zusammen mit Erik und Paul gestorben. Der Glaube in einen selbst, daran, dass doch immer alles gut werden würde - verpufft.

Was bleibt, ist diese tiefe, bedingungslose Liebe in mir. So wie die beiden habe ich niemanden vorher geliebt.
Mutterliebe, das war vorher einfach ein Wort für mich.
Genauso wie Einsamkeit oder Leere, nur Wörter, die plötzlich wahrhaftig ausgefüllt wurden.

Ich sehe diese Liebe als Geschenk von Erik und Paul an mich. Etwas schöneres hätte ich mir nie wünschen können.
Ich hätte nur gern mehr Zeit gehabt, davon etwas an sie zurückzugeben.

Freitag, 8. Mai 2015

Ich will darüber reden.

Darüber, wie es so ist, mein neues Leben. Eines, das ich nie gewollt habe.

Ich heiße Tanja und bin verwaiste Mama von Zwillingen.

Mama von zwei Jungs, die viel zu früh geboren und viel zu früh gestorben sind.
Erik durfte 45 Tage auf dieser Welt sein und Paul 55 Tage.

BÄM. Sowas möchte niemand lesen. Diejenige zu sein, die es schreibt, deren Geschichte es ist, fühlt sich aber auch nicht bedeutend besser an.

Ich möchte diesen kleinen Blog meinen wundervollen Söhnen widmen.
Es gibt, auch wenn es für mich noch nicht so recht vorstellbar ist, anscheinend ein Leben nach dem Sterben. Ich komme nicht drumrum, es zu leben.

"Kneifen gildet nicht."

Deshalb möchte, deshalb muss ich erzählen, wie ich das bewerkstellige. Ich habe noch keinen Plan, stehe am Anfang eines neuen Abschnitts und bin noch lange nicht fertig mit "Scheiße!"-Schreien.

Erik und Paul sind nun seit über 6 Monaten fort. Ich vermisse sie. Es wird nicht besser, nur immer wieder anders.

Heute habe ich auf dem Nachhauseweg einen vollständigen Regenbogen durch den Regenschleier blitzen sehen. Und ich habe diese Idee gehabt.
Ein Tagebuch, ein Blog! Dokumentieren! Und wollte ich nicht eh eine Kamera kaufen..?

Mein Leben mit den Jungs im Herzen.

Ich will darüber reden. Ich habe mich lang genug versteckt.