Sonntag, 30. August 2020

In meiner Kraft

In den letzten Wochen ist etwas Erstaunliches in mir passiert.
Ich kann gar nicht genau sagen, warum und wieso. Ein Knoten ist geplatzt. Trotz der derzeitigen immer noch total ungewissen Weltlage, ist da eine Kraft in mir aktiviert worden. Vielleicht zurück gekehrt, vielleicht neu entfacht. Egal.
Seit gut einem Jahr mache ich nun meine Traumatherapie auf körperbasiertem Ansatz.
Zusätzlich dazu einen Kurs, der in einem geschützten Rahmen von der selben Therapeutin begleitet wird.
Ich gebe zu, ich war erst etwas zurückhaltend, was meinen Enthusiasmus dafür anging - Gruppentermine, mit Ausnahme meiner Trauergruppe damals, taten mir manchmal im Nachhinein nicht gut und verwirrten mein inneres System nur noch mehr.

Ich habe ein großes Problem damit, mich allein gelassen zu fühlen in solchen Situationen. Nicht gut begleitet zu werden.

Die jetzigen Gruppentreffen verlaufen intuitiv, die Therapeutin hört gut hin und "schwingt mit", wo Spannungen auftauchen, fragt nach, hält und stützt.

Vor ein paar Wochen war ich plötzlich im Fokus. Ich war innerlich total aufgewühlt und -geregt. Es ging um das Thema Familie(ngründung), und das ging mir ganz furchtbar nah.
Ich habe mir früher immer eine eigene Familie gewünscht. Ich hatte eine eigene Familie. Ich wünsche mir immer noch Familie.

Letzteres war ein Schlüsselsatz für mich. Ich hatte einen möglichen Kinderwunsch total nach hinten geschoben.
Die Angst vor einer erneuten Schwangerschaft war übermächtig. "Noch einen Verlust verkrafte ich nicht."

Die Therapeutin spürte meine innere Aufruhr und fragte nach.
Ich schaffte es nicht, den anderen TeilnehmerInnen vom Verlust zu erzählen. Ich spürte, dass mein persönlicher Fokus nicht auf dem alten, sondern auf etwas neuem lag: Ich möchte (wieder) Familie.
(Meine Therapeutin weiß natürlich um Erik und Paul, just for the record ;))

Was dann folgte, war einfach nur krass: mir wurde quasi einstimmig vermittelt, dass ich die wärmste, weichste, mütterlichste Frau sei, die ihnen nur einfallen würde. Dass ich an meinem Traum festhalten solle, von meinem kleinen Bullerbü, von einer Gemeinschaft, die einander trägt.

Ich habe viel viel geweint an diesem Abend. Habe mich gestärkt gefühlt, gesehen gefühlt.
Meine Kraft, Dinge in die Hand zu nehmen, klar zu sein, zu wissen, was ich möchte - sie war plötzlich da, wie ein kleines Licht, das immer größer und größer wird.

Mein Mann fiel aus allen Wolken, als ich ihm sagte, dass ich nun gerne doch noch den Versuch wagen möchte, bevor wir komplett alt und tatterig sind. Aber die Lage der Welt..? Klimakrise...? Vielleicht hat er ab Anfang nächsten Jahres keinen Job mehr?! Ein Kind, JETZT?!? Aaahhh!

Okay, es ist die denkbar schlechteste Phase gerade, gesamtgesellschaftlich und individuell. Aber irgendwie ist mir das komplett egal.

Die Welt, mein Leben, unser Leben kann komplett den Bach runtergehen - ich hab es doch eh nicht in der Hand. Dann kann man auch einfach machen, was man will.

Und: meine persönlichen Bedingungen sind jetzt auch andere. Ich übe mich viel in Abgrenzung, beruflich, familiär. Auch da kann ich vieles nicht ändern, also mache ich es halt, wie es mir gut tut und soweit es mir gut tut.

Ich habe einen liebenden Mann, eine stärkende Familie, umsorgende Schwiegereltern. Immer noch die besten FreundInnen, die ich mir nur wünschen kann. Darauf vertraue ich. Und ich vertraue mir, dass ich gute und wohlmeinende Entscheidungen für mein und unser Leben treffen kann.

Das ist ein unglaubliches Geschenk für mich. Vertrauen. In mich. Vielleicht wird alles gut. Vielleicht wird es das auch nicht. Ich trage keine Schuld. Ich gehe nur meinen Weg.