Donnerstag, 15. Dezember 2016

Aufatmen

Am vergangenen Sonntag, den 11. Dezember, war der Weltgedenktag für verstorbene Kinder.

Jeden 2. Sonntag im Dezember wird seit vielen Jahren um 19 Uhr eine Kerze für all diejenigen Kinderseelen entzündet, die uns vorausgegangen sind.

Ich habe mich mit zwei Freundinnen aus meiner Elterngruppe getroffen, außerdem waren mein Freund und meine Schwester dabei.
Wir gingen erst in Ruhe Pizza essen, quatschten viel und machten uns dann anschließend auf in den Gedenkgottesdienst im Hamburger Michel.

Es waren so viele Leute da!

Als erstes entzündeten wir Kerzen für unsere Söhne und Töchter, dann setzten wir uns irgendwo in der Mitte in eine der Bankreihen.

Es folgten eine sehr schöne Predigt, ein paar Lieder und schließlich auch einige Eltern, die von ihren verstorbenen Kinder erzählten und Briefe an sie vorlasen.

Ich glaube, ich habe lange nicht mehr so viel und fürchterlich geweint.

Es war kaum zu ertragen, und auch wenn die Geschichten andere waren, die Kinder schon älter als meine, teils erwachsen, so eint doch alle dieser schlimmste Schmerz: sein Kind verloren zu haben.

So seltsam das auch von außen anmuten mag - diese Gemeinschaft von Trauernden und das gemeinsame Weinen mit Hunderten - das war wie ein Aufatmen, nach langer Zeit des Luftanhaltens.

Meine Freundinnen und ich standen zuletzt einfach nur Arm in Arm da und sangen das letzte Lied zusammen, wie Felsen in der Brandung. So alt und müde und schwer, und doch so stark und vor allem - gemeinsam.

Ich konnte sein, wer ich bin - ohne Alltagsmaske, ohne Chichi, einfach nur eine trauernde Mutter.

In all dem Advents- und Weihnachtstralala war das eine unglaublich wohltuende Erfahrung, die ich jedem Betroffenen nur empfehlen kann.

Jetzt kann Weihnachten kommen.

Donnerstag, 8. Dezember 2016

Advent, Advent

Lichterketten! Lebkuchen! Glühwein! Rote Wangen und rote Näschen! Mützen mit Bommel! Weihnachtsfeiern! Wichteln!

Wenn man denkt, dass der November in all seiner Elendigkeit schon bescheiden war, dann freut man sich erst recht über die schöne, glitzernde Einhornwelt vor Weihnachten.

Da werden Probleme einfach oblatisiert und geglühweint, mal bitte nicht so anstellen ihr Spaßbremsen, 3, 2, 1, SCHÖN.

Bah.

Seit Mitte November bin ich eigentlich fast durchgängig krank. Und wütend. Dann wieder traurig.
SCHÖN.

Es ist nicht so, dass ich Lichterketten nicht gern hätte. Oder Glühwein (Lumumba ist aber noch besser).

Wenn die Welt aber glitzert und funkelt, wird einmal mehr der harte Kontrast deutlich, den die Einsamkeit und Dunkelheit mit sich bringt.

Ich BIN nicht einsam, aber ich FÜHLE mich einsam.

Es gibt einige wenige, mit denen ich mich zum Glück austauschen kann, der harte Kern meiner Selbsthilfegruppe beispielsweise ist ein wahrer Segen.

Aber ansonsten bin ich gefühlt Lichtjahre weg vom normalen Betrieb.

Es ist so viel Trubel in mir. Und doch habe ich immer noch oft das Gefühl, auf der Stelle zu treten.
Den Tod meiner Jungs noch nicht verarbeitet zu haben. Zu viel Chaos bewältigt haben zu müssen.

Und dabei rast die Zeit nur so vorbei.
Bald ist 2017.
Werde ich je verstehen, was seit 2014 passiert ist?



Freitag, 4. November 2016

Pauls 2. Todestag

Am 29. Oktober 2014 ist mein kleiner Paul um 2:30 Uhr in meinen Armen gestorben.

Es sah lange so positiv für ihn aus, dass es für mich völlig unverständlich war, als es dann binnen Stunden auch für ihn zuende ging.
Ich hielt es nicht für möglich, dass ich das Prozedere der Sterbebegleitung noch ein zweites Mal überstehe. Ich war der festen Überzeugung, dass ich mich anschließend einfach in Luft auflösen würde.

Doch das Leben ist erbarmungslos geblieben, ich lebte einfach weiter, auch wenn damals all meine Hoffnung und jeglicher Wunsch zusammen mit Paul starben.

Ich existierte in einem Nichts aus Grau und Dunkel, und konnte mir nicht vorstellen, dass ich eines Tages die Sonne wieder sehen würde.

So war dann auch dieser 2. Todestag einer meiner Tiefstpunkte, und auch die Zeit zwischen den Todestagen schwer zu ertragen. Auch mein Körper: erschöpft, aktuell habe ich eine Blockade in der Brustwirbelsäule und bin eigentlich ein einziger wandelnder Schmerzpunkt.

Die Ausgangslage war eigentlich eine gute, es war Samstag, mein Freund war die ganze Zeit bei mir... und doch war ich den Tag über von einer tiefen Unruhe erfüllt.
Meine Fassade - nur ein gefühlter Hauch, und darunter tobender Irrsinn.

Wir holten gegen Mittag wieder drei Ballons, und mir war alles zu viel, die ganzen Menschen, der stürmische Wind, bekommen wir sie heil nach Hause...
Ironischerweise ging tatsächlich ein Ballon kaputt. Zu Hause. Vermutlich überdehnt, vom Kalten ins Warme.

Nachmittags trafen wir uns dann mit meiner Schwester und meiner Freundin F. und sind wieder zum Friedhof gefahren.

Auf dem Rückweg an einer schönen Koppel ließen wir dann Pauls Karte mit den verbleibenden zwei Luftballons auf die Reise gehen.

Von da an entspannte ich mich etwas. Mir war es so wichtig, dass ich Paul die gleiche Aufmerksamkeit zuteil werden ließ, wie Erik sie bekommen hatte.
Ich habe mir damit so großen Stress gemacht.

Mein Freund und ich fuhren noch mit zu F. und ihrer Familie, wo wir den Tag ausklingen ließen, Unmengen an Minipizzen und Baguettes aßen und Holzeisenbahn spielten.

Ein dunkler, trauriger Tag ging zuende. Mit viel Licht und Liebe für Paul im Herzen.

Ruhe auch du in Frieden, mein kleiner Schatz.

Montag, 24. Oktober 2016

Eriks 2. Todestag

Am 19. Oktober 2014 ist mein kleiner Erik um 17:58 Uhr nach vielem Hoffen und Bangen verstorben.

Das Grauen jener Gewissheit von damals, dass seine Tage, seine Stunden gezählt waren, griff in den letzten Tagen wieder nach mir.
Dieses Gefühl bodenloser Dunkelheit, eine Einsamkeit, die einen fast zerreißt.

So war es wohl mal wieder ein dichter Schutzpanzer, der meine Gefühle umschloss, so dass ich letzten Mittwoch seltsam mild und flauschig blieb und nur vereinzelt Tränchen kullerten.

Ich hatte mir den Tag frei genommen und mir wieder einen kleinen Plan gestrickt.

Letztes Jahr gab es eine Flaschenpost, diesmal sollte es hoch hinaus gehen - so kaufte ich also drei Luftballons und ließ sie mit Helium befüllen.
Ich hatte eine kleine Postkarte beschrieben und wollte sie am späten Nachmittag in den Himmel steigen lassen.

Vorher ging es aber noch mit meinem Papa, meiner lieben Freundin F. und meinem Freund zum Friedhof.
Die Luftballons mussten noch ein wenig im Auto warten.

Ich hatte mir als Ausgangspunkt für den Ballonflug einen Ort, gar nicht weit weg von meiner Wohnung, ausgesucht.
Keine Bäume drumherum, dafür Wasser, und außerdem war ich gerne dort, vorzugsweise im Sommer, mit Bierchen und Kippchen.

Wir warteten noch auf meine Schwester, die gerade von der Uni kam, und so gingen die Luftballons gegen 18 Uhr (fast pünktlich zum Zeitpunkt des Todes) auf ihre Reise.

Und was für eine Reise!
Ich hatte etwas Sorge, ob sie es wohl über die mehrstöckigen Häuser schaffen würden, und schnell zeichnete sich ab, dass sie es wohl auch über den Eiffelturm geschafft hätten.

Wir starrten ihnen so lange hinterher, bis wir nicht mehr wussten ob die Punkte nun die Ballons oder nur noch unser Augenflimmern waren.

Neben den schmerzenden Augen waren wir auch etwas durchgefroren, und so entschieden wir anschließend, noch eine Kleinigkeit essen zu gehen. Um die Ecke gab es ein kleines, schnuckeliges Restaurant, in das ich in den letzten Wochen so manche Freundin reingeschleift hatte, so toll fand ich es.

Ein schöner Abschluss für diesen so traurigen Tag. Ein kleiner Kreis von lieben Menschen, ein leckeres Essen, etwas für Leib und Seele.

Und so hoffe ich, dass auch Eriks kleine Seele sich geliebt und gewärmt gefühlt hat an diesem besonderen, dunklen Tag, von all denen, die an ihn gedacht und ihn mit mir vermisst haben.

Ruhe in Frieden, mein kleiner Schatz.

Dienstag, 6. September 2016

2 Jahre alt

Gestern, am 5. September 2016, wären meine kleinen Helden 2 Jahre alt geworden.

Es hat sich viel verändert seit dem letzten Geburtstag.
Letztes Jahr um diese Zeit war ich ein totales Wrack, der 1. Geburtstag ein riesen Meilenstein, und die Trauer übermächtig.

Dieses Jahr war ich die Tage vorher nervös und unruhig, die Nacht vom 4. auf den 5. schlief ich extrem schlecht und träumte sehr verworren.

Morgens hatte ich mich wieder mit meiner lieben Freundin F. verabredet, mit der ich in "meinem" Krankenhaus beim dortigen Bäcker frühstücken und den Jungs gedenken wollte.

Auf dem Weg dorthin fühlten sich meine Beine wackelig an und ich hatte ein seltsam unwirkliches Gefühl. Auf der Straße sah ich Mütter mit ihren Kindern und dachte, "Hey! Meine Söhne werden heute 2!" Ich fühlte mich auf gewisse Art zugehörig und dann auch wieder ganz fremd.
Freute mich über die Geburt dieser unsagbar kostbaren Schätze und war traurig darüber, dass sie nicht mehr da sind.

Ich aß wieder Rührei mit Brötchen, dazu gab es einen Caramel Macchiato. Das Wetter war ähnlich wie im letzten Jahr, grau und nieselig, so dass wir fast die einzigen Gäste waren, die draußen saßen.
Um 9:45 und 9:46 Uhr hielten F. und ich uns an den Händen, um diese Zeit erblickte erst Erik, dann Paul das Licht der Welt.

Wir gingen danach noch ins Krankenhaus, durch die Gänge meiner Bettenstation, und schließlich vorbei an der Neonatologie. Vor dessen Tür warteten Eltern darauf, hineingelassen zu werden.
Sie sahen uns an, mit freundlichen, zuversichtlichen Gesichtern. Ich fühlte mich, als würde sich der Erdboden auftun, und konnte sie nicht ansehen.

Anschließend fuhren wir noch zum Friedhof. Ich war lange dort, traf dort noch auf den Papa der beiden, was auch irgendwie zu dem Tag passte, und wir unterhielten uns darüber, wie es uns so ging und wie wir dem heutigen Tag gegenüber stehen.
Ich fühlte mich seltsam milde, meine Wut verraucht, mit beiden Beinen im Hier und Jetzt, und alles was mir aus der Vergangenheit bleibt, ist die Liebe zu den Jungs.

Erik und Paul, die immer bei mir sind, tief in meinem Herzen wohnen, mich begleiten und mir Kraft geben.

Nachmittags habe ich dann noch mit meinen Eltern, meiner Schwester, meiner Freundin F. und meinem Freund Kaffee und Kuchen gegessen.
Draußen schien inzwischen die Sonne, ein strahlend schöner Spätsommertag.

Wir haben das alle wieder gut gemacht!
Auch wenn der Kreis der Personen, die an einen denken, einem eine liebe Nachricht schicken, immer kleiner wird.
Ist wohl der Lauf der Zeit. Ich halte mich einfach an diejenigen, die mich auch als das sehen, was ich geworden bin: eine liebende Mama von zwei bezaubernden kleinen Jungs, die immer traurig darüber sein wird, dass die beiden nicht mehr bei ihr sein dürfen.

Alles Gute, ihr beiden Mäuse.

Donnerstag, 11. August 2016

Licht und Schatten

Schon wieder August. Wo ist denn bloß das letzte Jahr geblieben?

Die Erinnerungen an den letzten Sommer und die Angst vor den ersten Jahrestagen sind noch so präsent, als wäre es gerade erst gewesen.

Und auch jetzt spüre ich wieder diese schleichende, zunehmende Angst, habe kurze Anflüge von bodenloser Traurigkeit und alles verzehrender Wut.

Mir geht es definitiv besser als letztes Jahr. Wobei das letzte Jahr das zweitschlimmste meines Lebens war, wenn ich also "besser" sage, ist das immer noch nicht "Einhörner kotzen Regenbögen".

Es ärgert mich, wenn ich von Leuten höre, dass ich nach vorne schauen soll.
Danke ihr Schlaumeier, hätte ich das die letzten beiden Jahre nicht die meiste Zeit getan, wäre ich jetzt wohl nicht mehr hier.

Was einem an Ungehobeltheiten entgegen geweht kommt, davon kann wohl leider jede/r verwaiste Mutter und verwaister Vater ein Liedchen singen.

Ich finde es heuchlerisch, wenn einerseits gesagt wird, dass es das Schlimmste sei, wenn das eigene Kind vor einem stirbt. Und andererseits ist es dann komisch, wenn man noch 2 Jahren immer noch trauert?

Das ist nicht irgendwann zuende, es gibt keinen Schlusspunkt.
Es verändert sich und im besten Falle integriert man die schlimmen Geschehnisse in sein Leben.

Dafür braucht es viel Akzeptanz, Trauer ist oft sperrig und egoistisch, und ihre Tiefe macht vielen Menschen Angst.
Gleichzeitig sind aber auch die Höhen viel intensiver.

Diese Ambivalenz ist mir geblieben. Und ich hab sie gern, auf ihre Art. Ist mir jedenfalls lieber, als dieses Nicht-Gefühl, die Schockstarre, die Watte im Kopf.

Mein Freund sagte neulich zu mir, dass ich nicht bloß funktionieren solle, wenn ich eigentlich tieftraurig sei.

Das ist das schönste, was ich seit langem zum Thema Trauer gehört habe.

Ich glaube wenn mehr Menschen, die Trauernde um sich haben, bereit sind das auszuhalten, und nicht nur wünschen, dass der Trauernde "weitermacht" und funktioniert, weil: ist ja einfacher, dann wäre die Welt vielleicht ein Stückchen heller.

Wo Schatten ist, ist schließlich auch Licht.

Freitag, 17. Juni 2016

Über den Schmerz

Manchmal habe ich nachts ganz eigenartige Träume.
Ich träume dann nicht von Situationen, Menschen oder halbwegs greifbarem, sondern von meinen Gefühlen.
In diesen Träumen spüre ich einen irrsinnigen Schmerz, wie ein tiefer Strudel im Wasser, in dessen Tiefe man schon den Grund erahnt. Es fühlt sich an, als würde ich in mich hineinschreien.

Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich meinen Schmerz verkapselt habe.
Er hat sich ein kleines Nest gebaut, tief in mir, und ab und zu lupft er mal raus.

Je länger der Tod von Erik und Paul her ist, desto öfter gestatte ich mir, den Blick klar auf das zu richten, was uns passiert ist. Es ist sehr schwer für mich, das ganze als meine Realität anzunehmen.
Oft wirkte es auf mich, als würde ich einen Film vor meinem inneren Auge sehen, aber die Geschehnisse nicht mit MIR verknüpfen.

Wenn ich jetzt die Tagebucheinträge aus der Zeit im Krankenhaus lese, die ich teilweise tagesaktuell für die Dropbox aufbereitet habe, bin ich oft verstörter als damals. Was für eine tolle erste Verarbeitungsstrategie das war. Und wie froh ich bin, dass wir so viele Fotos gemacht haben.

Ich fühle mich oft so klein und so wertlos und so wenig verwurzelt in dieser Welt.
Wenn ich mir das aber alles durch den Kopf gehen lasse - sollte ich vielmehr auch mal stolz auf mich sein.
Ich habe vieles richtig gemacht in diesem ganzen Falschen.

Es ist anstrengend, Ich zu sein. Diese ganzen Gefühle unterzubringen, groß, klein, wütend, traurig, liebend, leidend. Und es dauert wirklich, seinen Weg zu finden.

Es ist immer noch oft Kampf. Für Normalität, gegen Normalität. Aber - was ist denn schon normal.

Müde

"Long time no see", lieber Blog.

Es ist still geworden um mich.
Woran das liegt, versuche ich seit Wochen irgendwie rauszukriegen.

Ich bin erschöpft, müde, kann und mag mich nicht recht aufraffen, leb in einer Blase zwischen Zuckerwatte und Augenzuhalten.
Fühle mich fremd mit mir, bin nicht traurig und nicht glücklich, irgendwo schwerelos in einem Land zwischen Gestern und Morgen.

Das Gestern ist dunkel und traurig, das Morgen noch nicht geschrieben und damit unsicher.
Ich mag dieses "unsicher" nicht.

Ich versuche mir ein neues Leben aufzubauen, das ich unheimlich schön finde, und habe gleichzeitig riesen Angst, das alles wieder zu verlieren. So genieße ich lieber gar nicht erst zu sehr, denn, das hab ich ja gelernt, es kann mir von heute auf morgen alles weggenommen werden.

Für einen Kontrollfreak wie mich ist es ein schreckliches Gefühl, so wenig Einfluss auf die wichtigen Dinge des Lebens zu haben. Ich versuche mich im "Fließenlassen", aber das ist ja so gar nicht mein Ding, genau wie das viel gelobte "Loslassen", "Treibenlassen", jawasauchimmerlassen.

Wie kann ich mir eine Sicherheit aufbauen in dieser unsicheren Welt?
Ist es wirklich einfach nur "hinfallen, aufstehen, weitermachen?" Wieder und wieder? Wie oft kann man das? Wann ist die Grenze erreicht?

Die letzten 1 1/2 Jahre waren oft so anstrengend, und ich müsste wahrscheinlich wochenlang ohne Pause schlafen, um die Energielevel wieder vollzubekommen.

Manchmal wäre ich so gerne die alte Tanja, unbelastet(er) und hoffnungsvoll(er).

Samstag, 19. März 2016

Flashbacks

Heute morgen bin ich ewig nicht aus dem Bett gekommen.
Und als es dann Frühstück gab, hab ich kaum was runterbekommen.
Anschließend gab es dann direkt Tränen und einen schlimmen Vermissungsanfall.

Ich finde es immer wieder spannend, wie wenig Geist und Körper sich austricksen lassen.

Die letzten Wochen waren schön, relativ geradlinig und ohne größere Ausschläge nach unten.

Oberflächlich betrachtet lebe ich ein völlig normales Leben.

Und dann gibt es da, siehe den heutigen Morgen, wieder Begebenheiten, die mich aufhorchen lassen.
Da war eine mehrstündige Autofahrt, die in Angst und Panik endete (bzw. in Angst und Panik beendet werden musste.)
Die Endlichkeit des Lebens ist in manchen Momenten auf einmal so präsent und greifbar, dass plötzlich nix mehr geht.
Das ist definitiv "neu" in meinem Leben. Hurra.

Die Trauer bricht sich immer wieder Bahn. Die Intervalle dazwischen werden länger und länger, die Themenkomplexe verändern sich.

Wenn ich das so aus Laiensicht beurteilen kann, bin ich grad rein verarbeitungstechnisch bei der Frühchenintensivstation angelangt. Schwangerschaft und Geburt sind weitestgehend verknuspert, jetzt triggern mich dafür blöde Monitore in Serien und/oder Filmen, die zufällig baugleich sind mit denen auf "unserer" Intensivstation (soviele verschiedene Firmen wird es da wohl auch nicht geben).

Und gleichzeitig bin ich natürlich auch traurig über den Verlust, die Endgültigkeit, das geht alles Hand in Hand und gleichzeitig durcheinander.

Es sind nun über 1 1/2 Jahre seit der Geburt von Erik und Paul vergangen.
Es kommt mir ewig vor, aber eigentlich ist es von der Zeitrechnung her ein Witz. Nicht mal ein Wimpernschlag.


Dienstag, 26. Januar 2016

Maßvoll vs. Maß voll

Mich beschäftigt zur Zeit die Frage, "wann denn mal wieder gut ist".
Ob es irgendwann mal wieder sowas wie gut ist.

Nicht dass es von außen irgendwer direkt an mich herangetragen hätte, aber ich frage mich schon manchmal, wie lange mein ganz persönlicher Welpenschutz noch dauern mag.

Hab ich jetzt einen Freibrief fürs Ausrasten?

Eine Freundin sagte mir kurz nach dem Tod der Jungs am Telefon, dass ich nun alles machen solle, was ich möchte. Und wenn sie mich in einem Jahr aus den Klauen einer bolivianischen Sekte befreien müssten, dann wäre das eben so.

Ich bin dann aber doch nicht nach Bolivien geflohen und eher implodiert als explodiert.

Mir fehlen eindeutig die Trauervorbilder!
Ich hab viel gelesen, u. a. auch das "Standardwerk" der Früher-Tod-Trauerbücher.

Aber oft bin ich im Alltag ratlos, was ich wem zumuten kann.

Darf ich noch mit Tränen in den Augen im Büro sitzen?
Darf ich sämtlichen Freizeitstress an andere delegieren, weil es mir mal wieder "nicht so gut geht"?
Darf ich Freunde kurzfristig versetzen, weil ich lieber heulen mag?

Wie lange hat so ein Umfeld Verständnis?
Einerseits soll der Tod eines Babies eines der schlimmstvorstellbaren Dinge sein.
Andererseits geht das Leben weiter, Leute lernen einen außerhalb des Muttiversums kennen.

Da werde ich schon dolle therapiert, aber irgendwie läuft es trotzdem nicht rund.
Ich klammer mich so fest an diesen Willen, dass alles normal und gut ist.
Vielleicht steh ich mir damit selbst im Weg,