Sonntag, 16. Dezember 2018

Das Wesen der Trauer

Der Titel klingt jetzt vielleicht erstmal etwas hochtrabend.
Gerade mache ich mir viele Gedanken über Wege der Trauer. Wege durch die Trauer hindurch, in sie hinein und hinaus. Um die Trauer drumherum.

Ich begreife oft gar nicht die Auswirkungen, die der Verlust meiner Söhne auf mein Leben hat.
Warte auf den Moment, an dem es endlich besser wird.
An dem ich wieder die Alte bin.
Neulich bei meinem therapeutischen Erstgespräch hat es mich schier zerrissen als ich erzählte, dass so viele Menschen "die alte Tanja" zurückhaben wollten.

Weil ich erkannt habe, dass das vor allem ich bin, die das will.
Ich kann nicht zurück in die Zeit vor dem Verlust. Das zu fassen und zu verinnerlichen macht mich immer noch wahnsinnig unglücklich.
Ich bin es gewohnt, zu funktionieren, für andere da zu sein.
Ich schaffe es oft nicht mehr.

Meine Vorstellungen an mich selbst stehen mir so oft selbst im Weg. Sind motivierend und demotivierend gleichzeitig.
Ich versuche gerade auch oft, meine tiefen Ängste zu ergründen. Warum diese Panikschübe, quasi aus dem Nichts?

Sich mit der Endlichkeit anderer und des eigenen Lebens auseinander zu setzen, raubt mir gerade viel Kraft.
Ich fühle mich alt, obwohl ich es noch nicht bin. Liege auf dem Sofa und denke plötzlich, dass ich ja im nächsten Moment sterben könnte.
Es macht mir Angst, so sehr!

Wie integriere ich Tod und Verlust in mein Leben?

Ich las neulich erst wieder, dass Trauer in Wellen kommt.
Gerade schwappt da anscheinend wieder etwas mich hinweg.
Ich strampel dagegen an und versuche mich zu wehren.
Doch es hilft nichts, ich muss da durch!

Ich habe mir das alles anders vorgestellt. Diese berühmt-berüchtigten Phasen der Trauer, ich dachte ich durchlaufe sie und bin dann irgendwann wieder heil.
Nie hätte ich gedacht, dass das alles so kreuz und quer läuft!
Dass ich nicht einfach nur traurig bin.
Sondern wütend, gefühlstaub, panisch, lethargisch, dann wieder glücklich wie ein Kind, unruhig, müde, gestresst, auf 180.

Ich hatte gerade eine Woche Urlaub, das tat mir wirklich gut. Auch wenn ich seit Mittwoch erkältet bin. Klar, typisch, so im Urlaub.

Ich hatte mir so viel vorgenommen und höchstens die Hälfte gemacht.
Wollte mit meinem Mann jetzt am Wochenende endlich Kekse backen, bis wir gemerkt haben, dass wir gerade echt keine Lust darauf haben.
Wie banal, und wie erleichternd, als er sagte "dann lassen wir das doch einfach!"

Alles kann, nichts muss. Wenn das doch immer so einfach wäre.

Montag, 10. Dezember 2018

Durch die Nacht

Schwer waren die vergangenen Wochen.
Schier endlos der November.
Nach Pauls Todestag bin ich eine dunkle Phase gerutscht. Auch vorher ging es mir nicht gut, aber es ging noch tiefer hinab.

Die Phasen, in denen ich kein Licht mehr sehe, sind fürchterlich. Es gilt, sie irgendwie zu überstehen.
Sehr geholfen hat ein wunderbarer Abend mit meinen besten Freunden und schwarzem Tee mit Rum.
Und darüber zu reden. Ich hatte ein Erstgespräch bei einem Therapeuten, bei dem ich im wahrsten Sinne des Wortes mal wieder alles rausgeschnoddert habe.

Und dabei gemerkt habe: ich brauche "nur" einen Ort, an dem ich schwach sein kann. An dem ich atmen kann, mich freimachen von den Erwartungen an mich, vor allem den Erwartungen an mich selbst.

Ich bin noch auf der Suche nach diesem Ort. Stehe mir oft selbst im Weg, mir Schwäche zu erlauben, nicht immer nur zu funktionieren.

Erik und Paul fehlen mir so sehr, gerade in diesen Tagen um Weihnachten herum.
Ich finde Trost einzig in der Gemeinschaft anderer betroffener Eltern.

Heute war wieder der Gedenktag für verstorbene Kinder. Ich war mit meinem Mann, meiner Mutter, meiner Schwester und meiner Freundin F. wieder beim Gottesdienst.
Mit vielen Tränen, aber auch viel Dankbarkeit.

Der Einzug begann mit dem Lied, das wir auch für unsere kirchliche Trauung ausgewählt hatten. Ich dachte, mich trifft der Schlag als die Streicher einsetzten.
(Ist allerdings kein unbekanntes Stück, und ich hatte es die letzten Wochen oft im Kopf).

Wie nah schönes und trauriges doch beieinander liegen!

Wie traurig ich bin, und wie schön es trotzdem ist, gesegnet zu sein mit einem wundervollen Ehemann, wundervollen Freunden, einer wundervollen Familie und nicht zuletzt wundervollen KollegInnen.

Dieses Jahr war ein krasses, in jeglicher Hinsicht.

Sonntag, 28. Oktober 2018

Zeit

Die Zeit ist ein merkwürdiges Konstrukt.
Heute vor vier Jahren war Paul noch lebendig. Wenige Stunden später war auch er tot.

Ich versuche mich reinzudenken in diese letzten kostbaren Stunden und Momente.
Lese meine alten Tagebucheinträge, und bin erschüttert wie gefasst und ja, unter Schock ich diese geschrieben habe.

Die Gedanken waren ganz klar, aber die Gefühle waren wie eingefroren.

Ich habe darüber nachgedacht, das Tagebuch umzuschreiben, bzw. aus heutiger Sicht nachzuerzählen.
Wie fühlt man sich, wenn das eigene Kind im Sterben liegt?
Jeder Außenstehende wird sagen, dass ihm der Gedanke unerträglich ist, dass man das nicht überleben könne, der Schmerz unbeschreiblich sein müsste.

Wie es dann wirklich ist, darauf kann man sich einfach nicht vorbereiten.

Mein Geist oder meine Seele, was auch immer, haben sich für Selbstschutz entschieden.

Ich kam und komme nicht damit klar, wenn ich die Kontrolle verliere.

Der Tod meiner Söhne war der ultimative Kontrollverlust. Den ich bis heute nicht fassen kann. Er hat mich in einer Weise erschüttert, die ich nicht mal benennen kann.

Manchmal bricht mein Schutzpanzer.
Es geschieht unkontrolliert, unvorbereitet.
Gestern hatte ich mitten beim Einkaufen eine Panikattacke. Ich lief gerade zu den Kühlregalen und wollte mir einen Käse aussuchen. Ich merkte, dass mit mir irgendwas nicht stimmte. Mir wurde schwindelig, ich spürte wie mir Wasser im Mund zusammenlief. Meine Beine waren wie Gummi, ich sagte meinem Mann Bescheid, lehnte mich erstmal an einen Pfeiler. Ich drückte meine Handgelenke an die kühlen Wände. Wollte mich zurückholen in die Wirklichkeit, aus diesem schwammigen Zustand. Mir war übel, und ich wollte weinen, schreien, weglaufen.
Was mache ich hier eigentlich..?
Tränen stiegen mir in die Augen, mein Mann nahm mich erstmal in den Arm.
Wollen wir alles stehen lassen und gehen?

Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, wollte den Einkauf aber gerne durchziehen. Ich suchte mir wahllos Joghurt aus. Langsam fand ich wieder ins Hier und Jetzt.

Ich denke, solche "Ausbrüche" finden immer dann statt, wenn ich über meine Grenzen gehe. Oder sie nicht genügend achte.

2014 und 2015 wurden diese Grenzen wiederholt verletzt. Vieles konnte ich mittlerweile flicken, aber die Mauern sind nicht gerade solide.

Es ist so ein mühsamer Kampf, immer noch und immer wieder.

10 Tage nach meinem ersten Sohn, starb auch mein zweiter. Vielleicht werde ich das auch einfach nie fassen können. Weil es wirklich unerträglich ist.

Donnerstag, 25. Oktober 2018

Erik ist nun 4 Jahre tot

4 Jahre... es kommt mir vor wie eine Ewigkeit.

Dass ich seinen kleinen Körper im Arm halten, seine kleinen Händchen und Füßchen massieren durfte.

Ich höre das Piepen und Klingeln der Maschinen, rieche den eigentümlichen Geruch der Intensivstation, eine Mischung aus Desinfektionsmittel und Baby.
Es ist sehr warm dort, damit die ganz Kleinen auch außerhalb ihres Inkubators nicht frieren.

Es kommt mir vor wie ein Wimpernschlag.

Der 19. Oktober 2014 war, zusammen mit dem folgenden 29. Oktober, der schlimmste Tag meines Lebens.

Auch in diesem Jahr begann es wieder als trostloser Tag.
Ich verfluchte das schöne Wetter, ich war unruhig und wütend, ich fühlte mich unvorbereitet und unzureichend.

Am frühen Nachmittag ging es zum Friedhof, mit meinem Mann, meiner Freundin F. und meiner Schwester.
Da standen wir eine Weile, zündeten eine kleine herzförmige Kerze an, redeten ein bisschen, weinten ein bisschen.

Anschließend sollte es zu einer kleinen Feuerstelle an einem nahe gelegenen See gehen. Ich war besorgt, ob wir da auch ungestört wären, wollte ich doch in aller Ruhe meinen kleinen Zyklus der Elemente vervollständigen.
Wasser, Luft, Erde, und nun Feuer.

Wir fuhren hin, fanden die Stelle - und waren ungestört. Meine Freundin und mein Mann bastelten am Feuer, und ich entspannte mich etwas.
Ich las einen Brief für Erik vor, und abwechselnd legten wir kleine Herzen ins Feuer, auf die ich gute Wünsche für meinen kleinen Schatz geschrieben hatte. Zuletzt kam der Brief.
Funken stoben, und wir sahen zu wie das Feuer sich langsam beruhigte, bis es schließlich fast ausgebrannt war und wir es löschten.

Als Abschluss hatte ich mir überlegt, in ein Café zu fahren, und wir fuhren zu der Location in der ich vor fast 5 Jahren meinen 30. Geburtstag gefeiert hatte. Dort hat letztes Jahr ein nettes veganes Bistro aufgemacht, mit phänomenalen Torten und Kuchen.

Der trostlose Tag wurde ein tröstender, und im goldenen Licht der Herbstsonne fuhren wir wieder nach Hause.


Freitag, 5. Oktober 2018

Oktober

Der Herbst ist da.
Die Sonne leuchtet golden, die Blätter färben sich langsam bunt.

Dicke Wollsocken, Kuscheldecke, zu viel Schokolade und Tee.

Und wieder dieser Schleier aus Traurigkeit.
Ich bin dünnhäutig, sehr sogar. Versuche mich mit aller Kraft auf Arbeit abzugrenzen, manchmal fällt es mir wirklich schwer.

Mit der dunklen Jahreszeit kommen auch die dunklen Geschichten der Menschen vermehrt ans fahle Licht.

Neulich stand im Büro ein Paar vor mir, das sich mit dem baldigen Tod ihres Kindes konfrontiert sieht und schon mal etwas Infomaterial für die Zeit danach haben wollten.
Was bleibt, wenn das eigene Kind gestorben ist...?

Ich war ganz fassungslos, wie man so etwas fertig bringt.
Erinnerte mich unweigerlich an meine eigene Situation.
Wie tapfer man sein kann. Wie geradlinig. Wie stark.

Fast 4 Jahre später - noch immer mit vielen Tiefschlägen.
Es gehört wohl einfach dazu.
In den letzten Wochen hatte ich vermehrt mit Panikattacken zu kämpfen. Ich ertrage sie stoisch, rede mit mir selbst laut im Auto, dass alles gut sei und mir nichts passieren wird.

Es ist und bleibt mein ver-rücktes Leben, meine ver-rückte Zeit.

Wenn diese besondere Zeit heranrückt, insbesondere die Todestage von Erik und Paul, öffnet sich auch immer wieder ein Spalt zwischen Himmel und Erde.

Donnerstag, 6. September 2018

Wie im Himmel, so auf Erden

Meine lieben kleinen Mäuse,

heute ist euer 4. Geburtstag!

Am Morgen bin ich mit eurer Tante F. wieder zum Krankenhaus gefahren, um dort zu frühstücken. Diesmal hatte ich Laugenstange mit Käse. Mal was anderes!
F. fand überhaupt, dass irgendwas anders war.
Es war wieder mal bewölkt, aber wir konnten diesmal draußen sitzen, ohne uns einen nassen Hintern zu holen.

F. fragte mich, ob ihr in meiner Vorstellung eigentlich älter werdet.
Und ja, tatsächlich. Während ich vor 4 Jahren frische Babies nicht ertrug, sind es nun 4-jährige Jungs, die ich schlecht vertrage.
Was für ein niedliches Alter!

Manchmal schaue ich auf YouTube alberne Videos mit kleinen Kindern, die irgendwelchen Quatsch machen.

Ich würde auch so gern Quatsch mit euch machen.
Stattdessen sitze ich an eurem Grab und spiele mit euren kleinen Windmühlen.

Letzte Woche Freitag habe ich geheiratet.
Nach der standesamtlichen Trauung und einem kleinen feinen Frühstück sind M. und ich zu euch gefahren, um euch kleine Brautsträuße zu bringen.
Was war ich glücklich an diesem Tag!

Und ich hatte das Gefühl, dass es euch, wo auch immer ihr gerade seid, auch gut geht.

Euch geht es dort gut, wo ihr seid, und mir geht es hier gut, wo ich bin.

Das fühlte sich nicht nach Trennung, sondern nach Einheit an.

Eine so starke Verbindung, stärker als das, was wir Tod nennen. Es ist wohl das, was wir Liebe nennen.
Eure Tante J. hat mir heute, zu eurem Ehrentag, etwas geschrieben, das mich sehr berührt hat:

 "die beiden haben in kürzester zeit auf erden so viel liebe gefunden, wie viele menschen in ihrem ganzen langem leben nicht finden."

Meine kleinen Mäuse, ihr seid unvergessen und werdet über alle Grenzen hinweg geliebt, selbst wenn euch die Menschen gar nicht kennen lernen duften.

Ich glaube, ein schöneres Geschenk kann sich eine Mutter nicht für ihre Kinder wünschen.

"Das schönste aber hier auf Erden, ist lieben und geliebt zu werden."

Nicht nur auf Erden. Auch im Himmel.

Samstag, 25. August 2018

Herzchen und Sternchen

Nur noch wenige Tage bis zur Hochzeit.

Mein Herz, es tanzt!
Ich war eigentlich nie so, dass ich schon mit 3 Jahren vom Heiraten und dem Prinz auf dem weißen Pferd träumte.

Aber nun macht das ganze seltsame Dinge mit mir.

Wenn ich neben meinem Freund auf dem Sofa sitze und ihn so anschaue, sprudelt mein Herzchen über vor lauter Glück.

Es macht so viel Spaß mit ihm alles zu planen!
Wie wir mit zunehmender Verzweiflung an den Einladungskarten saßen und uns danach schworen, nie wieder irgendwas zu basteln.

Wie wir 3 Monate später doch wieder gebastelt haben. Kirchenhefte!
Kann man ja mittlerweile alles bequem online bestellen, aber neiiin.

Die Deko, die Blumenauswahl, die Bestellung der Torte... geil!

Wie das Adrenalinlevel immer noch steigt!

Und gleichzeitig die Worst-Case-Szenarien immer kreativer werden:
Wahrscheinlich habe ich meine Tage, es sind entweder 35 Grad im Schatten oder Starkregen, die Hälfte der Gäste sagt im letzten Moment ab, der Pastor kommt nicht, meine Visagistin ist verschollen, das Essen ist zu wenig, die Musikanlage gibt ihren Geist auf.

Ungefähr so :D

Zwischendurch bin ich 2 Minuten entspannt und dann geht das Kopfkino von vorne los.

Aber es überwiegt vor allem diese unbändige, unglaubliche Freude, diesen wahnsinnig tollen Mann zu ehelichen.

Der Mann, der immer zu 200% hinter mir steht, mich so nimmt, wie ich bin, mit allem Blödsinn den ich mitbringe, den schlechten Eigenschaften, und meinen Sternchen, wo immer sie auch sind.

Alles darf sein! Und es lässt auch mich alles annehmen, das Gute wie das Schlechte.

Er hat mich in einer Phase meines Lebens kennengelernt, in der meine Welt in Trümmern lag. Hätte komplett schief gehen können.

Dass wir heute hier stehen macht mich glücklich. Und stolz. Auf uns, auf mich, auf meine Söhne, ohne die ich heute nicht die wäre, die ich bin.

Montag, 30. Juli 2018

Nur zu Besuch

Ein strahlend schöner Tag. Ich stehe vor eurem Grab, und ein paar Sonnenstrahlen blinzeln durch die Bäume.
Im April hatten M. und ich es euch endlich ein bisschen hübscher gemacht, und nun rupfe ich ein paar Büschel Gras aus, die sich frech durch eure weißen Steinchen gemogelt haben.

So ein friedlicher Ort.
Ich bin nicht mehr so oft bei euch, und manchmal denke ich, ihr auch nicht mehr bei mir. Wo eure Seelen jetzt wohl sind?
Immer noch auf der Reise, oder irgendwo... angekommen?

Ich bin ruhelos zur Zeit, und sehr aufgeregt.
Dass ich heiraten werde, habt ihr ja sicher mitbekommen.

Und dass mir diesbezüglich viel im Kopf herum geht - vielleicht spürt ihr es auch?

Vielleicht findet ihr es ein bisschen lustig, dass eure Mama immer wieder Worst Case-Szenarien in ihrem Kopf bastelt. "Ja, so ist sie, die Mama. Keine Ahnung, warum sie sich immer so viel Stress um nix macht!"

M. und ich fahren nach unserem Besuch bei euch weiter, zur Location wo wir in ein paar Wochen feiern wollen.
Es sind nur wenige Autominuten von euch entfernt. Dabei haben wir das gar nicht danach ausgesucht. Aber es passt trotzdem so gut.

Auf dem Rückweg fahren wir wieder am Friedhof vorbei. M. sagt "Nochmal winken!" und ich überlege ob wir am Tag der Feier wohl mit lautem Hupkonzert bei euch vorbei fahren.

Der Gedanke macht mich so traurig. Vorbei fahren. Ein paar Küsse in den Himmel. Ohne euch feiern gehen.

Wie soll das gehen?

Letztens sagte mir meine Kollegin N., dass ich es mir ruhig erlauben darf, glücklich zu sein.

Ja (und dann kommt wieder das "aber"), natürlich, aber ich bin gleichzeitig so furchtbar traurig, dass ihr nicht dabei sein könnt.

Als der Pastor fragte, ob jemand Blumen streuen würde, habe ich natürlich an euch gedacht.
Würdet ihr bestimmt, wenn ihr nur irgendwie gekonnt hättet.

Ich bin gerade so böse auf das Schicksal, dass ich nicht beides haben durfte. Einen liebenden Mann und lebende Kinder.

Eine Ironie auch, dass ich ohne dieses Schicksal wahrscheinlich niemals M. begegnet wäre.

Meine Gedanken drehen sich im Kreis.
Vielleicht sollte ich sie einfach annehmen. Nicht bewerten. Und einfach mal wieder traurig sein, weil auch das jetzt zu meinem Leben dazu gehört.

Schlaft gut, meine süßen Mäuse. Eure Mama hat euch so lieb!

Sonntag, 17. Juni 2018

Die Zeit, sie rennt

Die Wochen und Monate gehen ins Land...
Ich war ganz erschrocken als ich gesehen habe, dass ich seit knapp 3 Monaten nichts mehr auf meinem Blog veröffentlicht habe.

Vor ein paar Wochen kam mir ein seltsamer Gedanke. Ich dachte, nach 3,5 Jahren habe ich erstmals wieder das Gefühl, ein bisschen Kontrolle über mein Leben zu haben.

Ach ja, diese trügerische Kontrolle. Aber es war ein schöner Gedanke.

So vieles hat sich verändert in meinem Leben.
Die Zeit des Resümierens hat mir gut getan.

Viel zu schnell ist man wieder im Hamsterrad des Alltags.

A propos, bei uns ist ein kleiner Hamster eingezogen. Ein flauschiger kleiner Kerl! Und mein erstes Haustier.
Während mein Freund total entspannt ist, bin ich immer wieder panisch und denke, dass ich ihn bestimmt bald aus Versehen umbringe.

Ver-rückte Alte.

Neulich fragte meine Schwiegermutter to go, ob wir eigentlich Kinder planen, jetzt wo wir ja auch heiraten und so.

Und ich dachte, wow, ich habe Angst davor unseren Hamster zu verlieren, wie crazy würde ich bitte mit einem Baby interagieren.

Die Wahrheit ist, ich will eigentlich nie wieder schwanger sein. Das war eine so unfassbar negative Erfahrung, und alles was danach kam machte es nicht besser.
Ich weiß, dass ich noch einen Verlust nicht verkrafte. Niemand kann mir eine Garantie geben, dass alles gut geht.

Angst ist jedoch selten ein guter Berater, und wäre mein Kinderwunsch nur etwas größer würden wir es vielleicht wagen.

Aber er wird immer weniger. Ich bin so schon oft überfordert mit meinem Leben, meinem Alltag, und ich fände es schlimm wenn ein potentielles Kind unter seiner gestressten Mutti leiden müsste.

3,5 Jahre... bis einigermaßen Normalität eingekehrt ist. Ich wieder "bei mir" bin. Zumindest bis zum nächsten Tief.

Die neue Arbeit ist toll und hilft mir sehr! Die Thematik sind Tod und Trauer, und trotzdem spendet es mir Hoffnung.
So viele tolle Menschen, die sich Tag für Tag in ihr neues Leben kämpfen. So viel Kraft, Mut, Hinfallen und wieder Aufstehen.

Die Hochzeitsvorbereitungen laufen. Ich bin jetzt schon super aufgeregt. Die Einladungen sind verschickt, nun geht es ins Feintuning. Deko, Ablaufplanung, weitere Gespräche mit Pastor und Dienstleistern... Ich hoffe es geht alles gut. Aber so lange die liebsten Menschen dabei sind, und Liebe und Zuversicht ihren Platz haben, wird es schon laufen.

Erik und Paul begleiten mich. Auch sie werden natürlich ihren Platz haben. Ich bin mir sicher, dass sie dabei sein werden. Und ihre Mama leuchten sehen.

Montag, 19. März 2018

Alles ist verflochten

Am Wochenende gab es einen Gedenkgottesdienst für früh verstorbene Kinder, den ich den vergangenen Jahren schon besucht und teilweise durch eigene Beiträge mit gestaltet habe.

Dieses Mal war ich als Besucherin da, und habe am Tag zuvor ein bisschen beim Aufbau geholfen.

Ich stand in der großen Halle und es kam mir vor, als wäre ich erst vorgestern hier gewesen.

Der Schwerpunkt lag auf den Gesprächen mit den anderen Eltern, auch der Vater meiner Kinder war da.

War irgendwie alles kein Problem für mich. Ich fuhr wieder nach Hause und war ruhig und entspannt, fühlte mich gut vorbereitet auf den nächsten Tag.

Sonntagmorgen bin ich aufgewacht und war total durch. Eigentlich wollte ich ohne meinen Freund hingehen, aber plötzlich fühlte ich mich so schrecklich alleine und einsam, das hatte ich ewig nicht mehr so intensiv gefühlt.

Ich habe geheult und rumgeschimpft und der arme Kerl wusste gar nicht, wie ihm geschah, er zog sich schnell an und begleitete mich dann doch.

Ich hab manchmal das Gefühl, mein Exfreund triggert mich immer noch. Die Liebe ist schon ewig passé, die Wut ist auch viel besser geworden, aber in meinem Gehirn sind anscheinend immer noch irgendwo Verknüpfungen gespeichert, die alte Erinnerungen aktivieren und vergangenen Kummer neu einspielen.

So war es mir plötzlich ungemein wichtig, nicht allein zu dieser Veranstaltung zu gehen, jemanden an der Seite zu haben, der mich zwischendurch drückt, der mich stärkt.

Ausgerechnet ich, die sich sonst immer so bemüht, auf eigenen Beinen zu stehen und leidenschaftlich gern feministische Themen diskutiert. Behütet von ihrem zukünftigen Mann.
Nun ja.

Meine Mutter und meine zwei Freundinnen J. und E. waren auch da, und ich bin mir sicher, dass sie mich auch gedrückt hätten.

So saßen wir also in gemeinsam auf unseren Plätzen, ich weinte wieder, zerdrückte meinem Freund die Hand und war plötzlich wieder seltsam milde.

Ich hatte es mir irgendwie komisch vorgestellt, einerseits den Vater von Erik und Paul vorne reden zu hören, und gleichzeitig mit einem anderen Mann da zu sitzen.

Aber dann fühlte sich das plötzlich stimmig an.
Beides kann nebeneinander existieren. Die Wege von meinem Ex und mir haben sich unterschiedlich entwickelt, und das ist okay so.

Letztlich haben wir beide das bekommen, was wir dringend gebraucht haben. Er Freiraum und neue Impulse, ich Sicherheit und Stabilität.

Und so war der Weg nach Hause ein erleichterter.
Die Sonne schien, ich hatte meine wundervollen Söhne beweint und Kerzen für Sie angezündet, und mein Freund und ich fuhren zurück in unser gemeinsames Heim:

in unsere kleine unsichtbare Patchworkfamilie.

Donnerstag, 8. März 2018

Alles neu macht... wieder der April!

Fast ein Jahr ist es nun her, dass ich meinen alten Job gekündigt habe.

Und nun stehe ich auf der Schwelle in einen neuen, es ist tatsächlich der geworden, für den ich im Januar eine Bewerbung geschrieben habe.

In "meinem" geliebten Verein wird eine Stelle in der Verwaltung frei, und ich darf offiziell die Nachfolge antreten.

Gestern habe ich den Arbeitsvertrag unterschrieben.

Es ist so ein wahnwitziges Jahr bisher, und ich bin unglaublich dankbar dafür, wie sich die Dinge entwickelt haben.

Ich habe es einfach mal alles laufen und auf mich zukommen lassen, und auf wundersame Weise fügt sich nun alles zusammen.

Es fällt mir schwer, die Kontrolle abzugeben, dabei weiß ich doch: vieles habe ich nicht in der Hand.

Manchmal ist man zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Manchmal zur falschen Zeit am richtigen Ort. Und manchmal ist einfach alles falsch.

So einfach ist es, so kompliziert ist es.


Donnerstag, 1. März 2018

Traumabewältigung

Was mir in den letzten Wochen immer wieder im Kopf rumspukt, ist das Thema Traumabewältigung.

Ich merke, wie ich auf Stress, auch positiven, enorm reagiere. Vor allem auch körperlich.

Mein Zyklus ist beispielsweise völlig außer Rand und Band.

Ich bin oft unruhig, unter Strom, und muss mir richtiggehend Auszeiten verordnen, wenn ich an meine Grenzen stoße.

Letzte Woche zum Beispiel hatte ich jeden Tag etwas vor, was ja Normalität ist bei vielen Menschen.
Diese Woche habe ich bisher komplett auf dem Sofa verbracht, aber auch da merke ich: mein Kopf rattert, ich mache mir Gedanken über die Hochzeit, den neuen Job... Wie ich das alles zusammenbringe, mit meinen Söhnen, meiner lebenden Familie...

Und immer wieder die Frage: wie habe ich die Geschehnisse vor nun fast 3,5 Jahren verarbeitet? Ich habe viel darüber geredet und geschrieben, aber ist es in meiner Seele wirklich integriert?

Ich habe oft Gefühlsstörungen, wenn man das so sagen kann. Phasen wo ich absolut nichts fühle, dann wieder Phasen wo alle Gefühle ungefiltert auf mich einprasseln, traurige wie glückliche.

Ich denke schon lange darüber nach eine Traumatherapie zu machen. Stehe auf der Warteliste, seit Monaten.

Ich glaube, da wartet noch viel unverarbeitetes auf mich. Dabei merke ich auch die Fortschritte. Situationen, die mich vor 2 Jahren noch völlig aus der Fassung brachten, bewältige ich jetzt besser. Die Fassade ist dabei trotzdem nicht die stabilste. Manchmal reichen Kleinigkeiten, um mich in ein Tief zu stürzen. Mein blöder Zyklus zum Beispiel.

Das Gefühl, nicht ausreichend zu funktionieren, hat sich tief eingebrannt.

Dienstag, 27. Februar 2018

Im Wesentlichen

Die letzten Wochen sind wie im Nu verflogen.
Die Hochzeitsvorbereitungen laufen auf Hochtouren!
Mir hat schon lange etwas nicht mehr so viel Freude bereitet, wie dieser ganze Orgakram.
Okay, die Kontaktaufnahme mit dem Standesamt lief etwas mühselig, aber auch da kam der Tag, an dem ich mal jemand ans Telefon bekam.

Der Tag steht nun fest, wir haben eine Kirche und eine Location für die Feier.
Klein soll es werden, im engsten Kreis von Familie und Freunden.

Dafür ist das Brautkleid eine Nummer größer ausgefallen, als gedacht. Nicht weil ich so mopsig bin, aber ich hatte immer an etwas schlichtes gedacht.

Letzte Woche bin ich mit meiner Mutter und meiner Schwester losgezogen, "nur mal gucken". Tja, und da hatte ich dieses Kleid an, und leider wollte es mich und ich wollte es auch. Was soll man machen!

Überhaupt ist es manchmal herausfordernd, sich auf das Wesentliche zu besinnen: Zwei Menschen, die sich lieben und ihr Leben miteinander verbringen möchten.

Und dann denkt man über Deko nach, was ist eigentlich mit einem Fotografen, warum machen die alle nur noch Hochzeitsreportagen und wer soll das bezahlen?

Letzte Nacht habe ich geträumt, dass ich am Tag X keine ordentliche Frisur und kein Make-Up hatte und dann noch total gestresst durch die Stadt gefahren bin, um am Ende bei einem marokkanischen Restaurant zu landen, das zufällig auch eine Visagistin hatte.

Besinnung auf das Wesentliche. Genau.

Erik und Paul sind ein großes Thema. Ich möchte sie unbedingt mit einbinden, weiß aber noch nicht recht, wie.

Zwei Freundinnen hatten schon angeboten, vielleicht etwas vorzulesen während der Trauung.

Auf jeden Fall möchte ich im Anschluss daran zum Grab der beiden fahren.
Meine Mama möchte drei Brautsträuße binden, einen großen und zwei kleine.

Vielleicht können wir nochmal Luftballons steigen lassen.

Es werden sich sicher noch Ideen finden.

Sonntag, 14. Januar 2018

Ja zum Leben, ja zur Liebe

2018 hat mit einem großen, wunderbaren Knall begonnen.
Mein Freund hat mich in den frühen Stunden des neuen Jahres gefragt, ob ich seine Frau werden möchte.

Der Mond brach durch die Wolkendecke, und ich kicherte hysterisch wie ein Teenager. Es war kitschig, es war rührend, es war wunderschön.
Habe natürlich ja gesagt.

Schon lange haben wir uns immer wieder mal übers heiraten unterhalten, daher kam es nicht GANZ überraschend.
Aber der Ort und die Zeit, die waren es auf jeden Fall. Hoch oben über den Dächern seiner Heimatstadt, nur wir zwei, mit Blick ins Tal.

Seitdem lebe ich einen totalen Endorphintrip.
Mit ganz vielen Ups und einem Down.

Das Down kam an meinem Geburtstag. Morgens raspelte ich weinend Karotten für Rüblimuffins. Die Tränen liefen in Strömen, einfach so.
Ich vermisste meine Söhne so sehr, denn auch diesen großen Tag im Leben ihrer Mama würden sie nicht miterleben.

Ich weinte und weinte, und nachmittags kam Besuch, und ich war wieder froh. Meine engsten Freunde und unsere Familien haben so lieb auf die Verlobung reagiert, und auch mein Geburtstag wurde gefeiert. Die Liebe und das Leben.

Einige Tage vergingen, dann erzählte mir meine Freundin J. von einer Arbeitsstelle, die dieses Jahr frei würde, ob ich nicht Interesse hätte. So schnell habe ich noch nie eine Bewerbung auf die Beine gestellt :D
Zudem wurde mir über die Arbeitsagentur in Aussicht gestellt, eine Weiterbildung machen zu können.
Vielleicht kann ich so meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt noch erhöhen.

Wer weiß was noch kommt in diesem Jahr. Das Leben ist so fragil und es melden sich immer wieder Ängste.

Aber diesen abgefahrenen Start ins neue Jahr kann mir keiner mehr nehmen.

Auf das Leben, und auf die Liebe!