Sonntag, 11. Oktober 2020

6 Jahre

Der 6. Geburtstag der Jungs ist schon wieder über einen Monat her.

Auf seine ganz spezielle Art schön gewesen ist er, auch in diesem Jahr. Und anders, weil F. und ich es für keine gute Idee hielten, im Krankenhaus zu frühstücken.

Gegessen haben wir letztlich trotzdem, halt woanders.

Anders war auch der Nachmittag, wo ich mir weitgehend offen hielt, was ich eigentlich machen möchte. Mit meinem Mann und meinen Eltern war ich nachmittags auf dem Friedhof, mit Blümchen und Kerzen. Spontan haben wir dann doch noch Kaffee und Muffins bei uns verputzt, und erstaunlich viel über den Tod gesprochen. Das war schön.

Meine Mutter spürte auch, dass irgendwas anders ist. Las zu Hause meinen letzten Eintrag und freute sich riesig mit mir.

Es schwebte neue Hoffnung über diesem Geburtstag.

Die Zeit vergeht weiterhin schnell in diesem merkwürdigen Jahr.

Meine Freundin J. fragte mich letztens, wo ich gerade sei. Im Jahr 2014 oder im Jahr 2020?

Ich fand die Frage sehr klug, und musste gar nicht lange nachdenken. Ich bin im Hier und Jetzt. Mit einem halben Bein vielleicht sogar schon im nächsten Jahr.

Mich nerven die Nicht-Planbarkeiten. Die Coronazahlen steigen wieder, die Jobaussichten für meinen Mann sind weiter wackelig, ein muckeliges Weihnachten in Thüringen scheint mir gerade immer ferner. Probleme im Hier und Jetzt.

Und Zeit für meine Jungs bleibt da nur wenig. Auch das nervt mich, und ich schiebe gerade alles zusätzliche weit weg von mir. Unser angeschlagenes Auto, Probleme auf der Arbeit, komische Stimmungen.

Die Todestage stehen vor der Tür, und ich sehne mich gerade danach, einfach für mich zu sein, mit meinen Söhnen in Verbindung, fernab von Zeit und Raum und Erwartungen. Der 19.10. ist ein Montag, da habe ich eh frei, und am 29.10. werde ich mir eben frei nehmen.

Ich sehe innerlich nebelverhangene Felder, weite Wiesen, fahles Sonnenlicht vor mir, wenn ich an Erik und Paul denke. Werde ganz ruhig und dankbar ob des innerlichen Reichtums, den sie mir geschenkt haben.

Auf das Wesentliche besinnen. Wieder einmal. Einatmen. Ausatmen. Innehalten. Irgendwann weitergehen.

Sonntag, 30. August 2020

In meiner Kraft

In den letzten Wochen ist etwas Erstaunliches in mir passiert.
Ich kann gar nicht genau sagen, warum und wieso. Ein Knoten ist geplatzt. Trotz der derzeitigen immer noch total ungewissen Weltlage, ist da eine Kraft in mir aktiviert worden. Vielleicht zurück gekehrt, vielleicht neu entfacht. Egal.
Seit gut einem Jahr mache ich nun meine Traumatherapie auf körperbasiertem Ansatz.
Zusätzlich dazu einen Kurs, der in einem geschützten Rahmen von der selben Therapeutin begleitet wird.
Ich gebe zu, ich war erst etwas zurückhaltend, was meinen Enthusiasmus dafür anging - Gruppentermine, mit Ausnahme meiner Trauergruppe damals, taten mir manchmal im Nachhinein nicht gut und verwirrten mein inneres System nur noch mehr.

Ich habe ein großes Problem damit, mich allein gelassen zu fühlen in solchen Situationen. Nicht gut begleitet zu werden.

Die jetzigen Gruppentreffen verlaufen intuitiv, die Therapeutin hört gut hin und "schwingt mit", wo Spannungen auftauchen, fragt nach, hält und stützt.

Vor ein paar Wochen war ich plötzlich im Fokus. Ich war innerlich total aufgewühlt und -geregt. Es ging um das Thema Familie(ngründung), und das ging mir ganz furchtbar nah.
Ich habe mir früher immer eine eigene Familie gewünscht. Ich hatte eine eigene Familie. Ich wünsche mir immer noch Familie.

Letzteres war ein Schlüsselsatz für mich. Ich hatte einen möglichen Kinderwunsch total nach hinten geschoben.
Die Angst vor einer erneuten Schwangerschaft war übermächtig. "Noch einen Verlust verkrafte ich nicht."

Die Therapeutin spürte meine innere Aufruhr und fragte nach.
Ich schaffte es nicht, den anderen TeilnehmerInnen vom Verlust zu erzählen. Ich spürte, dass mein persönlicher Fokus nicht auf dem alten, sondern auf etwas neuem lag: Ich möchte (wieder) Familie.
(Meine Therapeutin weiß natürlich um Erik und Paul, just for the record ;))

Was dann folgte, war einfach nur krass: mir wurde quasi einstimmig vermittelt, dass ich die wärmste, weichste, mütterlichste Frau sei, die ihnen nur einfallen würde. Dass ich an meinem Traum festhalten solle, von meinem kleinen Bullerbü, von einer Gemeinschaft, die einander trägt.

Ich habe viel viel geweint an diesem Abend. Habe mich gestärkt gefühlt, gesehen gefühlt.
Meine Kraft, Dinge in die Hand zu nehmen, klar zu sein, zu wissen, was ich möchte - sie war plötzlich da, wie ein kleines Licht, das immer größer und größer wird.

Mein Mann fiel aus allen Wolken, als ich ihm sagte, dass ich nun gerne doch noch den Versuch wagen möchte, bevor wir komplett alt und tatterig sind. Aber die Lage der Welt..? Klimakrise...? Vielleicht hat er ab Anfang nächsten Jahres keinen Job mehr?! Ein Kind, JETZT?!? Aaahhh!

Okay, es ist die denkbar schlechteste Phase gerade, gesamtgesellschaftlich und individuell. Aber irgendwie ist mir das komplett egal.

Die Welt, mein Leben, unser Leben kann komplett den Bach runtergehen - ich hab es doch eh nicht in der Hand. Dann kann man auch einfach machen, was man will.

Und: meine persönlichen Bedingungen sind jetzt auch andere. Ich übe mich viel in Abgrenzung, beruflich, familiär. Auch da kann ich vieles nicht ändern, also mache ich es halt, wie es mir gut tut und soweit es mir gut tut.

Ich habe einen liebenden Mann, eine stärkende Familie, umsorgende Schwiegereltern. Immer noch die besten FreundInnen, die ich mir nur wünschen kann. Darauf vertraue ich. Und ich vertraue mir, dass ich gute und wohlmeinende Entscheidungen für mein und unser Leben treffen kann.

Das ist ein unglaubliches Geschenk für mich. Vertrauen. In mich. Vielleicht wird alles gut. Vielleicht wird es das auch nicht. Ich trage keine Schuld. Ich gehe nur meinen Weg.

Sonntag, 28. Juni 2020

Gebremst

2020, ey. Lange nicht mehr so gute persönliche Voraussetzungen gehabt für ein neues Jahr, und was kommt dann? Ne Pandemie.

Im März dachte ich eine Zeit lang, dass wir spätestens im Mai alle entweder krank oder tot, aber zumindest im trockenen Ödland um das letzte Benzin kämpfend dastehen.

Dann starben zum Glück, zumindest in Deutschland, vergleichsweise wenig Menschen an Corona, und statt Mad Max-mäßig mit geschorenen Häuptern rumzufahren wurde lieber um Klopapier gekämpft.

Es ist alles wieder etwas entspannter, ich war sogar mal live beim Yoga und unter Menschen, aber so richtig "vorbei" fühlt es sich für mich noch nicht an (und ist es wohl auch nicht).

Der Schreck sitzt mir noch zu tief in den Knochen, und es war krass zu erleben, dass ein weiteres Mal im Leben nichts sicher, planbar oder vorhersehbar ist.
Nun halt eben kollektiv.
Habe gelesen, dass es manchen Menschen mit psychischen Krankheiten teils besser ging, weil sie eben auf einmal nicht mehr gefühlt so allein waren mit ihren Ängsten und Sorgen.
Ging mir leider nicht so. Das hat sich alles ganz schön hochpotenziert.

Wenigstens rast das Jahr weiter schnell dahin. 2020, du hattest wirklich das Zeug dazu, ein tolles Jahr zu werden.

Jetzt wünsche ich mir, wieder einmal, nichts mehr, als dass meine Familie und meine Freunde gesund und munter und zuversichtlich bleiben.

Dienstag, 18. Februar 2020

In Bewegung

Der erste Monat des neuen Jahres ist wie im Flug vergangen, der zweite schon halb vorbei.
Das Jahr ist in Bewegung. ICH bin in Bewegung. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Hab mir letztes Jahr im November schon einen Tanzkurs rausgesucht, um über die trübe Jahreszeit zu kommen, und das hat mir echt viel geholfen.
Führe ihn nun auch in diesem Jahr fort.
Habe TRE ausprobiert (Abkürzung für "Tension and Trauma Releasing Exercises") und das war auch richtig gut!
Frage mich, warum sowas nicht in der Schule gelehrt wird.

Zusätzlich bin ich immer noch bei meiner Tanztherapeutin für Einzelsitzungen, dort war ich jetzt am Wochenende auch auf einem Workshop. Das Thema war "Komm in deine Kraft", was gerade sehr gut zu meinen Themenfokus passte.

Eine der Teilnehmerinnen dort erzählte, dass sie dort wäre, um "ihr Yin zu stärken". Das fand ich irgendwie schön.
Überhaupt fand ich es sehr berührend, so unterschiedliche Frauen zu erleben, die alle auf dem Weg sind, zu sich selbst, zu mehr Kraft, mehr (Selbst)Vertrauen.

Und dann denke ich, dass das Leben, das so viele Menschen führen, so weit weg ist von dem, was eigentlich wichtig oder gar essentiell ist. 8 Stunden am Tag in irgendwelchen Jobs rumspringen, die sie nicht mögen, Beziehungen führen, nach Mustern leben, die ihnen nicht gut tun.

Dass ich rein durch Bewegung und vor allem Tanz wieder mehr ins Fühlen und zu mir komme, hätte ich so nicht für möglich gehalten. Da war immer der Wunsch in mir, das bloße "Gequatsche" mehr körperlich zu integrieren, aber mir fehlten die Ansätze.

"Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße". (Martin Walser)

Donnerstag, 2. Januar 2020

2020

Das Jahrzehnt, in dem meine Söhne geboren wurden, ist zuende gegangen.

Trotz dieses Umstandes, der mich verwirrt und auch ein wenig wehmütig macht, liegen schöne Tage hinter mir.

Weihnachten war toll! Die Dankbarkeit über meine lebendige Familie und meine Freunde, das Gefühl von Geborgenheit und dass das Hier und Jetzt gerade schön und sicher ist, waren vorherrschend.

Ich habe nochmal viel über mich gelernt im vergangenen Jahr. Habe in den letzten Tagen nochmal resümiert über die Jahre zuvor, über den Weg, den ich gegangen bin, über den Weg auf dem ich nun bin.

Nach vielen Höhen und Tiefen hat sich gerade sowas wie Zufriedenheit eingestellt. Ein Innehalten, vermischt mit Vorfreude auf ein neues Jahr. Werden meine Pläne aufgehen? Ein Umzug, ein schöner Urlaub...?
In den letzten Jahren, so hart sie auch oft waren, hat sich alles meist zum Guten gewendet.

Doch Zweifel und Ängste schlummern wachsam, bereit aus ihrer Deckung zu kriechen. 
Auch das darf sein und gehört zu meinem Leben. Schließlich habe ich es erlebt, am eigenen Körper, mit meinen eigenen Söhnen, dass alles ganz schnell und ganz unnachgiebig vorbei sein kann.

Auch wenn es widersprüchlich klingt, hilft mir dieses Wissen darum (inzwischen?), die Gegenwart mehr zu genießen und vor allem - wertzuschätzen.

Nichts ist selbstverständlich.

Auf diesem Pfad möchte ich weitergehen, in ein neues Jahr, mit meinen liebsten Menschen.
Auf ein gesundes und schönes Jahr 2020 für uns alle, die auf dem Weg sind!