Dienstag, 3. Dezember 2019

Brief an die Trauer

Liebe Trauer,

du bist nun schon viele Jahre in meinem Leben. Mal sehen wir uns häufiger, mal längere Zeit nur von weitem.
Ich kenne dich schon lange, aber immer nur vom Vorbeigehen.
Als du dann mit Wucht in mein Leben tratest, konnte ich dich erst überhaupt nicht leiden. War wütend auf dich.

Du hast mir all meine Kraft genommen, hast mich zu Boden gerungen. Wenn jemand am Boden liegt, dann lässt man eigentlich von ihm ab. Du bist geblieben. Meine Augen waren ohne Glanz in diesen Wochen, Monaten, als du immer bei mir warst.

Im folgenden Sommer warst du plötzlich auch mal verhindert, ich konnte aufstehen und der trübe Blick lichtete sich ein bisschen.
Ich versuchte, mich von dir loszumachen, aber du kamst doch immer wieder.
Deine Dominanz hast du allerdings Stück für Stück in den Griff bekommen.

Oder habe ich einfach gelernt, mich abzugrenzen?
Wir sind zu Gefährten geworden, du und ich.
Wir sind auf Augenhöhe.
Ich wehre mich nicht, wenn du kommst.
Und du gehst auch wieder, wenn du anderswo gebraucht wirst.

Ich habe verstanden, dass du mir nichts böses willst. Ich brauchte meine Zeit am Boden, um Kraft zu sammeln.
Ich brauchte und brauche die Tränen, die tiefe Traurigkeit, um danach wieder ein Stück weiter auf meinem Weg zu sein.

Ich bin dankbar, dass du auch deine anderen Freunde in mein Leben gebracht hast. Liebe und Zuversicht, Hoffnung und Mut.
Du bist eines der Bindeglieder zu meinen Söhnen, und dafür hab ich dich gern.

Dienstag, 22. Oktober 2019

Kraft und Liebe und Dankbarkeit

Mein liebster kleiner Erik,

5 Jahre bist du nun schon nicht mehr bei mir.
Der 19. Oktober, ein trüber, trauriger Tag.
So viele haben an dich gedacht, haben mir Nachrichten geschickt. Tante J. hat sogar mit Klangschalen und Koshis für dich eine Sprachdatei aufgenommen.

Tante E. schrieb mir, dass sie viel Kraft und Liebe und Dankbarkeit schickt, dafür, dass es dich und deinen Bruder gegeben hat.

Und genau das empfand ich auch, an diesem Tag, in all seiner Untröstlichkeit.

Habe dir an eurem Grab ein kleines Gedicht von Rilke vorgelesen.
Dein Opa, Tante C. und Tante F. und natürlich mein M. standen mir zur Seite. Wir sind danach noch in einem benachbarten Wald spazieren gegangen, es regnete leicht, und trotzdem war es alles irgendwie schön und friedlich.
Im Anschluss gab es Kaffee und Kuchen an einem kleinen Mühlbach, und dann sind wir wieder zurück gefahren.

Abends saß ich noch lange bei Kerzenschein auf dem Sofa, und dachte an den Abend vor 5 Jahren.
Dachte so fest an dich, wie ich dich im Arm hielt, wie draußen ein Sturm tobte.

Es ist und bleibt unfassbar für mich, dass du nicht bleiben konntest.
Dass ich dich nicht aufwachsen sehen darf.

Und gleichzeitig spüre ich die Verbindung zu dir, und in meinen dunkelsten Stunden hat die Liebe zu dir und zu deinem Bruder mich stets getragen.

Danke mein kleiner Schatz, für all die Kraft, die Liebe und die Dankbarkeit, die du mir in mein Leben gebracht hast.

Ich liebe dich, heute und für immer.

Freitag, 27. September 2019

Aus der Welt gefallen

Vorgestern habe ich einen Artikel in einer Frauenzeitschrift gelesen. Ich lag frisch gebadet und befrühstückt in einem ausladenden Hotelbett in Frankfurt und wollte es mir gut gehen lassen.
Eine Autorin, die ich immer gern gelesen habe und deren Schreibstil ich sehr mag, resümierte darin ihre erste Lebenshälfte. Sie ist nun Anfang 50 und erzählte über die Veränderungen, die das Leben so mitbringt.

Habe mich selten so wenig abgeholt gefühlt von einem Artikel. Ich las und las, und fühlte mich wie ein uralter nörgelnder Kritiker.
Mit Brille auf der Nase und geschürzten Lippen.
So so, das Leben in den 30ern, so unbeschwert! Und jetzt, mit über 50, überall Krankheit und Tod. Die eigenen Eltern, die alt und krank werden und sterben, die Fälle im Freundeskreis, die vor der Zeit Siechtum erfahren.
Ich ertappte mich dabei, wie ich diese Autorin beneidete. Über ihr wunderbares normales Leben, so wie es sein sollte.

Ich fühlte mich vor der Zeit gealtert.
Keine Unbeschwertheit, sondern Schwere.
Der Tod, der in mein Leben trat, und die Chronologie der Ereignisse komplett durcheinander warf.

Ich begriff, wieder einmal, dass ich nie haben würde, was sie hat. Ein ganz normales Leben, wie es unzählige führen dürfen.

Einige Tage zuvor hatte ich dieses Gefühl schon mal.
Ich betrachtete zwei meiner liebsten Freundinnen mit ihren Familien. Die beiden kennen sich schon seit Jugendtagen, und nun spielen ihre Kinder miteinander. Es war schön. Das Leben, wie es sein sollte.

Und daneben saß ich, und fühlte mich irgendwie aus dieser Welt gefallen.

Abends ging ich schlafen und dachte fast trotzig, dass ich ja aber auch zweifache Mutter bin.

Wieder in Frankfurt. Mein Mann und ich saßen am Mainufer, die Wolken dunkel und das Wetter nieselig.
100 prozentige vermeintliche Freiheit. Wir können tun und lassen, was wir wollen.
Und ich spürte vor allem wieder die Lücke.

Ich vermisse es so, Familie zu haben.
Vielleicht genau so, wie manche Menschen es vermissen, frei zu sein.

Ich würde diese Freiheit ohne mit der Wimper zu zucken aufgeben, wenn ich nur meine Jungs bei mir hätte.
Ich würde mit meinen Freundinnen im Garten sitzen, und unsere Kinder würden sich gegenseitig die Schippen über die Köpfe ziehen. Wir würden schimpfen und lachen und in unseren Kaffeetassen rumrühren.
Das Leben, wie es sein sollte.

Montag, 9. September 2019

5 Jahre

Die Zeit heilt keine Wunden.
Letzte Woche hätten Erik und Paul ihren 5. Geburtstag gehabt.

Das gleiche Prozedere wie in den Jahren zuvor. Morgens Krankenhaus, mittags zum Grab, nachmittags Kaffee und Kuchen.

Ich versuchte, in Verbindung zu meinen Jungs zu gehen. Leider bin ich da mittlerweile fast die Einzige.
Das fröhliche Geplapper meiner Mutter an der Kuchentafel hielt ich kaum aus. Auf ihre Nachfrage, ob mir nicht gut sei, fiel mir nur ein schwaches "Ich bin halt traurig" ein.

Betretenes Schweigen folgte.
Ich fühlte mich wie ein Trauermonster, das überall nur schlechte Stimmung verbreitet.

Ist es zu viel erwartet, dass man mich an einem solchen Tag fragt, wie es mir geht?
Und dann mit der Antwort umgehen muss?

Ja, ich weiß und verstehe, warum meine Familie ist, wie sie ist, und das meine Eltern nicht anders können, weil sie es nie anders gelernt haben. Und selbst so viel Schmerz erleben mussten und müssen und keiner für sie da war.

Aber offener Umgang ist bisher das einzige, was mir halbwegs hilft, mit allem klarzukommen.

Und so latze ich wieder F. zu, meine liebe Freundin, die eh schon so viel mit und von mir tragen musste.
Oder J. und E., bei denen ich ungefiltert alles rauslassen darf.
Und zu guter Letzt mein Mann, der mit dieser ganzen Scheiße streng genommen nicht mal was zu tun hat.

Ich bin wütend. Und traurig. Und so müde von der Welt.
Die Zeit heilt keine Wunden. Die Zeit zeigt nur alle Wunden.

Freitag, 23. August 2019

Drunter und drüber

Ach Leben, wie gemein du manchmal einfach bist.

Nach ein paar Tagen puscheliger Auszeit bei den Schwiegereltern hatte ich den Koffer am Montag noch nicht ganz ausgepackt, da trudelten die schlechten Neuigkeiten nur so ein.

Die Mutter hat Burn Out, der Opa väterlicherseits liegt nach einem Schlaganfall im Sterben, die kleine Schwester wurde von ihrem Freund verlassen.

Mittlerweile ist mein Opa gestorben, und als würde das gerade nicht eh alles reichen, erreichte mich heute die Nachricht, dass mein Bruder im Krankenhaus liegt.
Die Nieren arbeiten nicht richtig, und der Blutdruck ist viel zu hoch.

Echt jetzt, Schicksal?

Läuft das nun einfach so, Selbstfindung, kurz Durchatmen, und dann wieder BÄM, ins Gesicht?

Können wir als Familie wachsen, auch wenn wir stetig schrumpfen?

Wie kümmert man sich gut umeinander, wenn jeder am Limit ist?

Es hilft wohl (wieder) nur, in kleinen Schritten zu denken. Sich zusammenzurotten und das gemeinsam durchzustehen.
Und ruhig mal wütend zu sein und alles scheiße zu finden.

Mittwoch, 14. August 2019

Sortieren

Schon wieder August.

Letzte Woche hatte ich eine erste Session Traumatherapie. Dem körperlichen Ansatz folgend, habe ich mir jemanden ausgeguckt, der sogenanntes Somatic Experience anbietet.
Grob und laienhaft gesagt, wird da mit dem festsitzenden Trauma im Nervensystem gearbeitet.

Ich versuche so meiner Unruhe und dem Stress in mir auf die Spur zu kommen.
Habe ständig Probleme, die ich letztlich auf diesen Stress zurückführe. Kaputte Haut an den Händen, Schläfstörungen, immer wieder starke Ängste.

Es ist immer noch viel in Bewegung in mir. Ich bin labil und schnell "außer mir".

Vorgestern habe ich die letzte Folge der dritten Staffel Haus des Geldes geguckt, und war total überwältigt. Mir wurde heiß und kalt und schwindelig, und mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Es hat ein paar Minuten gedauert, bis ich wieder runterkam.
(Supertolle Serie! Aber eben auch sehr intensiv.)

Es ist toll, wenn ich mich selbst (wieder) so spüre. Aber auch beängstigend.
Wenn ich dann mal wieder so gefühlsintensive Phasen habe, kommt gleich alles hoch, gutes wie schlechtes.

Es ist und bleibt anstrengend.
Wie hart es ist, sich mit sich selber auseinanderzusetzen. Wie gut ich Leute verstehe, die das nicht tun oder tun wollen.

Aber ich sehe ein Ziel vor mir: mehr Lebensenergie, Lebensfreude, Achtsamkeit und Verbindung mit mir selbst.
Das alles wieder gut wird, erwarte ich gar nicht unbedingt.
Ich möchte mich "nur" im Hier und Jetzt wieder sicherer fühlen. 

Sonntag, 2. Juni 2019

Zusammenfädeln

Ausgehend von der "Alte Tanja vs. Neue Tanja"-Thematik ist in mir eine andere, neue Sichtweise gewachsen.

Ich habe in den vergangenen 2 Wochen viel Musik von "früher" gehört, habe mir Konzertmitschnitte angeschaut von "alten" Lieblingsbands, habe viel geweint im Angesicht von diesem "zu der Zeit war alles noch gut".

Was es ja gar nicht immer war, es war halt nur anders schlecht. Reparabler.
Ich war ja auch schon vorher irgendwer.

Und mir kam der Gedanke, diese ganzen Fäden irgendwie zusammen zu ziehen.
Nicht alt vs. neu aufzuwiegen. Es ist ja alles: Tanja.
Aus irgendeinem Grund war und ist dieser Prozess schmerzhaft.
Vielleicht ist es eine Form der Realitätsanerkennung?

Zumindest ist in meinem Unterbewusstsein der Bär los. Ich schlafe schlecht und träume unheimlich intensiv.
Bin die meiste Zeit total groggy und auch etwas motivationslos.

Sich dieses Jahr viel um mich selbst zu kümmern und mich mit mir auseinanderzusetzen setzt auch vieles frei.
Ist das gut, ist das schlecht? Muss ich es überhaupt bewerten?

Montag, 29. April 2019

Damals und heute

Es geht weiter im Roulette der Sinnsuche!
Nach Ostern bin ich krank geworden. Vielleicht der (positive) Stress der vergangenen Tage, sehr wahrscheinlich aber eher der Magen-Darm-Infekt, den mein Mann mit nach Hause brachte.

Und statt meine Ostersüßigkeiten aufzufuttern, hing ich lädiert auf dem Sofa rum, trank Tee und lutschte an trockenem Brot.
Langsam geht es mir glücklicherweise etwas besser, und ich genieße es sehr meine Zeit in der heimeligen Kissen-Decken-Wohnlandschaft zu verbringen, Superheldenfilme zu gucken und immer wieder wegzudösen.

Und es gab und gibt mir etwas Zeit, zu resümieren.
Ostern war echt so super! Die viele Zeit draußen, unter Menschen, raus aus der Komfortzone.
Unsere kleine Fellnase zu beerdigen, war nochmal traurig, aber wir haben es schön gemacht, finde ich.
Habe ihm noch einen Brief geschrieben und vorgelesen, und irgendwie "gut" getrauert. So unmittelbar und ganz intuitiv.

Und es blitzte eine kleine Idee auf, nicht für jetzt, aber irgendwann...?
Eine Trauerbegleiterin bei mir auf Arbeit ist freie Trauerrednerin, und entwirft und hält auf Trauerfeiern Reden für und über die Verstorbenen.
Mein (vorsichtiger) Plan ist ja, in 2 Jahren die Ausbildung zur Trauerbegleiterin zu machen, vielleicht kann ich dann so etwas anschließen...?
Kaum zu glauben, dass ich mal irgendwo freiwillig öffentlich reden möchte.

Von diesem Gedankengang ausgehend, fing ich an über mein "altes Ich" nachzudenken.
Wie viel "weiter" ich gekommen und geworden bin.
Als Jugendliche dachte ich immer, dass meine Persönlichkeit irgendwann fertig wäre und dann nichts mehr kommen könnte. Ich fand Veränderungen sehr abschreckend. Hatte einen groben Plan von mir, wie ich wohl bin, wenn ich "fertig" bin.

Interessanterweise komme ich immer näher an dieses (Wunsch)Bild heran, gerade durch die massiven Brüche und Veränderungen in meinem Leben.

Vor 10 Jahren wäre es für mich zum Beispiel auch undenkbar gewesen, mein Elternhaus eines Tages zu übernehmen.
Jetzt ist da ein wohliges Gefühl, wenn ich daran denke dort im Garten zu sitzen und Landluft zu atmen.

Manchmal entwickeln sich Perspektiven, die wir gar nicht auf dem Schirm haben.

Sonntag, 21. April 2019

Was passiert, wenn wir sterben?

2019 ist bisher ein sehr verwirrendes Jahr. Ich bin weiter in meiner, eigentlich sehr versöhnenden, Selbstfindungsphase, pflege viele schöne soziale Kontakte, genieße Aktivitäten und den Sonnenschein der vergangenen Tage.

Und gleichzeitig macht das Leben und der Tod irgendwie, was es und was er will.
Nun ist auch noch eine liebe Großtante tot, sehr alt ist sie geworden.

Und gestern ist unser Hamster gestorben. Er lag einfach leblos in seinem Käfig. Ich heulte wie ein kleines Kind, und mein Mann begann direkt, eine Kiste für ihn zu basteln.

Wir werden ihn morgen beerdigen, im Garten meiner Mutter.

Ich vermisse seine Laufradgeräusche, das Futterwechseln und das Geraschel und Rumgenage. Sein flauschiges Fell und seine kleinen Tapsen.

Es ist dieses "nie wieder", das mich so fertig macht. Das mir solche Angst macht.
Gestern abend mochte ich kaum einschlafen, aus Angst, nicht mehr aufzuwachen.

Was passiert, wenn ich sterbe? Oder wenn jemand anderes geliebtes stirbt?
Ich bekomme manchmal totale Angstanfälle, wenn mein Mann später als gewohnt nach Hause kommt. Bei mir ist immer direkt alles worst case.
Da ist kein Bus ausgefallen, sondern ein schlimmer Unfall passiert.
Als ich letztens auf Ergebnisse eines Bluttestes wartete und unverhofft einen Tag zu früh von meinem Arzt angerufen wurde (und den Anruf verpasste), habe ich im Kopf schon meine Beerdigung geplant.

Das ist nicht normal, das weiß ich.
Ich weiß nur nicht (immer noch nicht!) wie ich den Tod und das Sterben in mein Leben integrieren soll. Oder annehmen soll.

Meine liebe Pastorin B. hat letztes ein Bild verschickt, in dem Charlie Brown zu Snoopy sagt "Eines Tages müssen wir alle sterben." Und der Hund erwidert "Ja, aber an allen anderen Tagen nicht."

Die Angst darüber darf mein Leben nicht bestimmen.
Aber jeder Tod, selbst der eines winzig kleinen Fellfreundes, erinnert mich an diese Dunkelheit, diesen ultimativen letzten Verlust aller Kontrolle.

Ich möchte gerne glauben, dass ich eines Tages alle wieder sehe. Dass meine Söhne im Himmel auf mich warten. Dass sie froh sind, dass wir auf Erden eine kurze Zeit miteinander hatten. Und dass auch ich endlich froh sein kann und Frieden finde, weil mich eine Ewigkeit mit ihnen erwartet.

Vielleicht ist es einfach nur das. Uns selbst und anderen eine möglichst schöne Lebenszeit bereiten. Mitfühlend zu sein, zu begleiten, zu lieben.

Ich hatte Angst davor, wieder einen Partner zu haben. Ich hatte Angst davor, ein Haustier zu haben. Zu lieben bedeutet auch immer, zu leiden wenn jemand oder etwas nicht mehr da ist.
Aber es lohnt sich letztlich immer.

Wie heißt es doch so schön in den ganzen Poesiealben dieser Welt - "Es ist besser, etwas gehabt und wieder verloren zu haben, als es nie gehabt zu haben."

Vielleicht sollte dies mein Ansatz sein.

Sonntag, 31. März 2019

It's always darkest before the dawn

Die letzten Wochen sind nur so verflogen.

Draußen wird es heller und wärmer, heute morgen bin ich von dem penetranten PIEP-PIEP einer Kohlmeise wachgeworden.

Ich bin auf dem Weg. Habe mir einen Kurs für Achtsamkeitstraining gesucht, Yoga gemacht, und war wieder bei den Vorbereitungen für die jährliche Gedenkveranstaltung für früh verstorbene Kinder involviert.
Vor allem letztere hatten es echt in sich.

Andere betroffene Eltern und ich, und natürlich vor allem "meine" unvergleichliche Pastorin B. haben intensiv gearbeitet, gelacht, geweint, geschimpft und auch mal einfach inne gehalten.

Anfang des Monats war ich auf einem wundervollen Konzert von "Florence and the machine", mit meiner Schwester und lieben Freunden. Das hat so gut getan, diese tolle Sängerin live zu erleben, mit all ihrer Energie und äh, Transzendenz :D

Ich versuche viel, im Moment zu leben. Dagegen arbeite ich zwar gegen meine innere Kontrolletti- und Planungsstimme, aber es tut mir gut. Und es schafft ein wenig Raum im ganzen Chaos aus Vergangenheit und Zukunft.

Irgendwie will immer so viel bewältigt werden. In den letzten Wochen gab es einige Schicksalsschläge in der erweiterten Familie. Ein Großonkel ist verstorben, bei einem seiner Brüder gab es ein großes Familiendrama. Meine Mutter hatte einen Zusammenbruch, von dem ich erst viel später erfahren habe.

Meine Eltern sind noch lange nicht alt, trotzdem fange ich langsam an, mir Sorgen zu machen. Was wird in 5, 10, 15 Jahren...? Ja, es ist wohl manchmal gut, inne zu halten und in der Gegenwart zu bleiben. Was vergangen ist, kann ich nicht mehr ändern. Was in einigen Jahren passiert, steht noch nicht geschrieben. 

Und so bewältige ich den Alltag, Schritt für Schritt, und versuche mich weiter in Akzeptanz.

Samstag, 19. Januar 2019

Januar

Ein neues Jahr.
2019.
Es fühlt sich noch so frisch und friedlich an.
Keine großen Pläne. Nur ein paar kleine.

Weihnachten kam und ging, und es ging mir immer besser, je weiter die Feiertage fortgeschritten sind.
Am zweiten Weihnachtstag bin ich aufgewacht und habe mich das erste Mal seit... ewig... ausgeschlafen gefühlt. Und ich habe mich auf den Tag gefreut! Was für ein irres Gefühl!

Und wie selten das anscheinend bei mir ist, wenn es mir schon so stark auffällt.

Silvester war auch toll, F. hatte sturmfrei und so haben wir im kleinen Kreis ihr Haus gekapert.

Auf meinen Geburtstag hatte ich gar keinen Bock. Gar gar nicht. Aber mein Mann hat mich so lieb bepuschelt, mir Sekt und Youtube-Feuerwerk beschert, und ich fand es so rührend dass sich jemand über meinen Geburtstag freut, sich über mich freut. Es wurde dann sogar ein ziemlich schöner Tag.

2019. Ich bin jetzt 35. Du meine Güte.

Ich hatte nie so ganz konkrete Vorstellungen von mir in diesem Alter. Fühle mich aber gerade ganz okay mit mir. Habe so viel gelernt, und will noch so viel mehr lernen.

Auf Arbeit lerne ich auch so viel. Es ist gefühlt noch immer viel Improvisation bei mir, aber irgendwie fügt es sich doch zusammen.
Oft lobt mich jemand, und ich denke nur so, whaat, kann ich nicht mit gemeint sein.

Aber es stimmt wirklich, ganz platt und banal: man wächst mit seinen Aufgaben.

Bin gespannt wo ich noch hinwachse.
Habe ein paar wenige Vorsätze gefasst. Will fitter werden.
Noch besser auf mich und in mich hinein hören.
Meine Grenzen bewahren. Klar sein.
Viel Zeit mit Menschen verbringen, die ich lieb habe.

Kleine, schöne Pläne.